Düsseldorf Bilk: „Mr.Wash“ wurde zum Kulturtempel
Ein bisschen wundert sich Thomas Reutter schon. „Es hat bisher keinen Shitstorm in sozialen Netzwerken gegeben“, erklärt der Initiator und Autor von „Tanktempel AWF 28“. Dabei wurde im „Mr. Wash“ an der Völklinger Straße am Freitag- und Samstagabend (5. und 6.8.) die Vergötterung des Automobils vielfach auf die Schippe genommen. Das Gesamtkunstwerk aus Gesang, Tanz, Schauspiel und Performance war allerdings kein Auto-Bashing, weil es so gut in die Zeit passt. Vielmehr war es eine humorvolle Satire, die intelligent einiges Irrationales rund um das Kraftfahrzeug entlarvte.
Die Szene, die auf dem gesamtem „Mr. Wash“-Gelände und in allen Hallen spielte, geschieht in ferner Zukunft. Da ist das Zeitalter der fossilen Brennstoffe lange vorbei und Archäologen haben die Autowaschfabrik 28 (AWF 28) als einen kultischen Ort der untergegangenen Epoche identifiziert. „Die Autowaschfabrik 28 ist einer der am besten erhaltenen Tanktempel Europas. Es handelt sich um eine antike Kultstätte zu Ehren der Automobilität, errichtet vermutlich im Jahr 8 des 21. Jhd. n.Chr. von unbekannten Baumeistern. Auch wenn hier keine Rituale mehr ausgeübt werden, bitten wir Sie, sich an diesem Ort angemessen zu verhalten“, so führte „Archäologie-Führerin“ Nawel Herbrechter in die utopische Gedankenwelt ein.
Es entfaltete sich eine Welt aus Tatsachen, Vermutungen, Spekulationen und Widersprüchen, eben genau so, wie sich Altertumsforscher einer nicht ganz identifizierten Kultur nähern. So wurde der profane Industriebau zum Tempel für kultische Handlungen rund um das gottgleiche Automobil erhoben. Der alltägliche Stau wurde als positives Gemeinschaftserlebnis der Automobilisten gedeutet. Das Aneinanderreihen von Fahrzeugen auf einer Straße gab den Reisenden das Gefühl von Beständigkeit und Entschleunigung. Ein Parkplatz war eine öffentliche Fläche, die eigens dem Automobil gewidmet wurde. Andere Gegenstände durften auf diesen öffentlichen Plätzen weder gelagert noch abgestellt werden. Die Archäologen aus der Zukunft vermuteten, dass in der „Halle des Windes“ (Staubsaugerhalle) rituelle Tänze von „Quellnymphen“ aufgeführt wurden.
In der Reinigungshalle, in der Tempeldiener die Automobile mit verschiedenen Essenzen reinigten, wurden Choräle und Lobpreisungen gesungen. Der Anfahrtsweg zur Waschhalle wurde zur „Straße der Prozession“ umdefiniert. Dort wurden auch die wichtigsten rituellen Handlungen vollzogen und das „Auto unser“ gebetet. „Auto unser, das wir fahren auf der Straße, dein Reifenwechsel komme, wie in deiner Überholung in der Werkstatt als auch auf der Autobahn. Und vergib uns unser Rasen wie auch wir vergeben deine Pannen. Und führe uns nicht in den Unfall. Erlöse uns von dem Stau, denn dein ist die Geschwindigkeit und der Kraftstoff und die Zuverlässigkeit, zumindest in der Garantiefrist“.
Ganz so weit hergeholt sind die archäologischen Interpretationen der Zukunft nicht, werden doch bereits heute kultische Handlungen an und rund um das Automobil vollzogen. So segnen Priester jeglicher Religionen und der Papst auf der ganzen Welt Autos. Im Internet kursieren Tutorials wie man Geräusche eines Autos nachmacht oder welche Zwischenraumbürsten es für die Felgenreinigung gibt. Das bietet Platz für jede Menge Satire.
Schade, dass der Mannheimer Verein „Industrietempel“ die Umwandlung einer Düsseldorfer Waschstraße in einen Kulturtempel nur an zwei Abenden umsetzte.