Neue Ausstellung in der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf „Queeres Leben in der NS-Diktatur“

Eigentlich ist die Ausstellung der Stiftung Magnus-Hirschfeld “gefährdet leben. Queere Menschen 1933 bis 1945” immer nur für wenige Wochen an einem Ort und wandert dann weiter. Das war der Mahn- und Gedenkstätte zu kurz und außerdem wollten sie auch den Düsseldorfer Aspekt integrieren. Daher hat Kuratorin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin Astrid Hirsch-von Borries bei der Stiftung erreicht, dass in Düsseldorf eine Kopie ausgestellt wird, die mit dem Titel “Queeres Leben in Düsseldorf“ eine zeitliche Erweiterung erfährt und den lokalen Bezug herstellt. Mit der Installation “Zwang und Zeichen” von Saskia Holte kommt noch ein weiteres Aspekt hinzu. Nach der Eröffnung am Montag (27.10.) kann die Ausstellung noch bis zum 5. Juli 2026 besucht werden. Außerdem ist ein umfangreiches Rahmenprogramm organisiert.

In der Ausstellung liegen auch Lesemappen aus, in denen die Biografien von einzelnen Menschen beschrieben werden
Die Ausstellung “gefährdet leben. Queere Menschen 1933 bis 1945” ist in fünf Teile gegliedert, die sich jeweils farblich in ihrer Darstellung unterscheiden. Von „Zerschlagung der queeren Infrastruktur“ und „Ausgrenzung und Entgrenzung“ werden die Betrachter*innen über den Aspekt „Selbstbehauptung und Eigensinn“ zu „Haftgründe und Haftorte“ bis zu „Leben nach 1945“ geführt.

Farblich gekennzeichnet besteht die Ausstellung der Stiftung Magnus Hirschfeld aus fünf Teilen
Astrid Hirsch-von Borries betonte bei der Einführung, dass es in der Nazi-Zeit den Begriff „queer“ noch nicht gab. Es gab zwar Menschen, die homosexuell und trans* waren, aber für diese verschiedenen Lebensentwürfe gab es noch kein eigenes Wort. Die Hirschfeld-Ausstellung hat viele biografische Züge, begleitet durch die Zeit des Nationalsozialismus und zeigt in den verschiedenen Sequenzen die Situation derer, die gemäß Paragraph 175 „widernatürliche Unzucht“ betrieben. Direkt davon betroffen waren hauptsächlich Männer. Lesbische Frauen spielten eine zu geringe Rolle für die Nazis, führte die Kuratorin aus. Wurden sie denunziert, klagte man sie eher wegen Kommunistischer Gesinnung an, um sie der Strafverfolgung zuzuführen.

Um nicht aufzufallen gingen einige Homosexuelle Scheinehen ein oder verlobten sich
Anhand von Dokumenten, Grafiken, Fotografien und Zitaten wird auch aufgezeigt, dass schwule Männer versuchten sich durch Scheinehen oder Verlobungen zu tarnen und eine „normale“ Beziehung vorzuspielen. Da das Leben der Homosexuellen nur im Verborgenen stattfinden konnte, ist es bis heute sehr schwierig zu dokumentieren.

Astrid Hirsch-von Borries erläuterte, dass lesbische Frauen oft nicht wegen ihrer sexuellen Orientierung verhaftet wurden, sondern man ihnen andere Vergehen, wie beispielsweise kommunistische Bestrebungen, zur Last legte
Auch deshalb wurde die Ausstellung mit einem Raum erweitert, der die Überschrift „Queeres Leben in Düsseldorf – Von den Goldenen Zwanzigern bis 1945″ trägt. Denn Hirsch-von Borries war es wichtig zu zeigen, wie das Leben in Düsseldorf vor 1933 aussah. Es war schon damals eine moderne Großstadt, in denen sich Lokale etablieren und Zeitschriften wie “Die Freundin” oder “Der Freund” am Zeitschriftenstand zugänglich waren. Der “Tosca-Palast” war ein Kino, das sich in der Biesenstraße befand, und beliebter Treffpunkt der homosexuellen Szene war. Das änderte sich mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Die Presse wurde verboten und an Tanzabende sowie Treffen in der Öffentlichkeit war nicht mehr zu denken. Die Queere Community wurde gedemütigt, verfolgt und gezwungen, sich zu verstecken. Dabei spielte Düsseldorf ein unrühmliche Rolle. Am 28. Juni 1937 begannen mit der Festnahme von Karl Carduck und seinen Freunden die Massenverhaftungen vermeintlich homosexueller Männer in Düsseldorf. Bei der Verfolgung dieser waren Kriminalpolizei, Gestapo und Strafjustiz sehr emsig. Allein die Gestapo verhaftete in Düsseldorf etwa 400 Männer wegen “homosexueller Handlungen“. Damit war Düsseldorf die Stadt mit den meisten Festnahmen nach Paragraph 175 in ganz Westdeutschland. Oft reichte für eine Verurteilung ein flüchtiger Blick oder ein kurzes Gespräch, was dann als Verliebtheit zur Last gelegt wurde. In der Ulmer Höh wurde zahlreiche sogenannte „freiwillige Entmannungen“ durchgeführt, durch die die Männer hofften dem KZ zu entgehen.

Die Installationskünstlerin Saskia Holte ergänzt den Düsseldorfer Teil der Ausstellung mit ihrem Werk “Zwang und Zeichen”
Trotzdem kamen viele in die Konzentrationslager, wo Homosexuelle durch ein rosa Dreieck auf der Kleidung gekennzeichnet wurden – den „rosa Winkel“. Im Ausstellungsraum mit dem Fokus auf Düsseldorf hat die Installationskünstlerin und Bühnenbildnerin Saskia Holte unzählige rosa Dreiecke von der Decke hängend angebracht. “Zwang und Zeichen” (#zwangundzeichen) heißt ihre Installation und auf den Dreiecken sind Fingerabdrücke zu sehen. Jedes Dreieck steht für eine*n Homosexuelle*n. Die Winkel zeigen mahnend auf die Besucher*innen herunter und scheinen mit dem Hinweis in die Ecke zu drängen „Achtung, was passiert da!“. Einige schwarze Winkel sind zu sehen, die für diejenigen stehen, die als Asoziale verfolgt wurden.

Astrid Hirsch-von Borries war es wichtig auch die Zeit vor 1933 zu betrachten
Über QR-Codes ist die Ausstellung in englischer Sprache verfügbar. Zusätzlich wurden alle Texte von Dr. Frederike Krenz (Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf/Inklusion) in Einfache Sprache übertragen. Der Reader dazu kann an der Aufsicht ausgeliehen werden.
Öffnungszeiten und Rahmenprogramm
Die Ausstellung kann kostenfrei zu den Öffnungszeiten der Mahn- und Gedenkstätte, Mühlenstraße 29, sonntags, dienstags bis freitags von 11 bis 17 Uhr, samstags von 13 bis 17 Uhr besucht werden.
Öffentliche kostenfreie Führungen finden jeweils um 18:30 Uhr am 20.11.25, 18.12.25, 20.01.26, 17.02.26, 31.03.26, 23.04.26, 19.05.26, 16.06.26 sowie bereits um 14 Uhr am 5.07.25 statt. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung nicht nötig. Der Zugang zur Ausstellung ist barrierefrei. Außerdem können Gruppen Führungen per Mail an nicole.merten@duesseldorf.de oder 0211 – 8996205 buchen.
K 20, Kunstsammlung NRW: Seit dem 27. September 2025 und noch bis zum 15. Februar 2026 wird im K20 die Ausstellung „Queere Moderne. 1900 bis 1950“ gezeigt. Es ist die erste umfassende Ausstellung in Europa, die den bedeutenden Beitrag queerer Künstler*innen zur Moderne vorstellt. Zu sehen sind über 130 Werke – Gemälde, Zeichnungen, Fotografien, Skulpturen, Filme, Literatur und Archivalien – von 34 internationalen Künstler*innen.
- Sonntag, 2. November, 14 Uhr: Gedenkveranstaltung an Siegfried Strukmeier, der vor 30 Jahren im Hofgarten ermordet wurde. Treffpunkt zwischen Hofgartenrampe und Inselstraße. Im Anschluss um 15 Uhr Podiumsgespräch im Theatermuseum.
- Donnerstag, 5. Februar, um 18:30 Uhr: Vortrag von Jako Wende „Ich möchte so gerne mein Leben in die Welt schreien!“ – Adele Haas, eine intergeschlechtliche Person im Nationalsozialismus, im Beatrice-Strauss-Zentrum der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, Marktstraße 2 (Innenhof)
- Samstag, 7. Februar, um 19:30 Uhr und Sonntag, 8. Februar, um 18 Uhr: Szenische Lesung mit historischer Einführung
und Nachgespräch „Vor dem Rosa Winkel“ im Theatermuseum Düsseldorf, Jägerhofstraße 1 - Dienstag, 24. Februar, um 18:30 Uhr: Vortrag von Astrid Hirsch-von Borries „[…] Was wird aus uns werden.“ – Queere Menschen in Düsseldorf zwischen 1933 bis 1945“ im Beatrice-Strauss-Zentrum der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, Marktstraße 2 (Innenhof).
- Donnerstag, 5. März, um 18:30 Uhr: Vortrag von Dr. Frauke Steinhäuser „Wir sind auf lesbischer Basis befreundet“ – Das Leben von Otto Kohlmann und Sophie Gotthardt, im Beatrice-Strauss-Zentrum der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, Marktstraße 2 (Innenhof).
- Dienstag, 21. April, um 18:30 Uhr: Vortrag von Dr. Anna Hájková „Queere Liebe im Holocaust“ im Beatrice-Strauss-Zentrum der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, Marktstraße 2 (Innenhof).
- Donnerstag, 28. Mai, um 18:30 Uhr: Vortrag von Dr. Veronika Duma „Die Düsseldorferin Cäcilie Helten und die Liebe zu ihrer Partnerin
Rosa Jochmann: Zwischen Zuschreibung, Selbstbezeichnung und Unsichtbarmachung“ im Beatrice-Strauss-Zentrum der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, Marktstraße 2 (Innenhof). - Donnerstag, 11. Juni, um 18:30 Uhr: Vortrag von Dr. Frederike Krenz „Gustaf Gründgens“ im Beatrice-Strauss-Zentrum der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, Marktstraße 2 (Innenhof).
- Sonntag, 28. Juni, um 16 Uhr: Kranzniederlegung zum Düsseldorfer Gedenktag für die queeren Opfer des Nationalsozialismus am Erinnerungsort „Ein seltsam klassisches Denkmal“ auf der Apollo-Wiese.
- Montag, 29. Juni, um 18:30 Uhr: Vortrag von Dr. Benno Gammerl „Verfolgung queerer Menschen: schwieriges und unerlässliches
Erinnern“ im Beatrice-Strauss-Zentrum der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, Marktstraße 2 (Innenhof).
Den Flyer mit weiteren Informationen gibt es hier.