Verlorener Schatz: Corinth-Blumen zurück im Kunstpalast Düsseldorf
Viele wollen die Vergangenheit ja endlich vergessen. Aber bis zum heutigen Tag ist zu spüren, welche Lücken die mörderische Nazi-Diktatur auch in die Kultur dieses Landes gerissen hat. Über 1000 Werke der Moderne verschwanden allein aus der Sammlung der Stadt Düsseldorf, weil sie in den Augen der Nazis „Entartete Kunst“ waren. Eines davon konnte jetzt mit Hilfe der Siemens Stiftung für rund eine halbe Million Euro aus einer Schweizer Privatsammlung zurückgekauft werden. Das „Blumenstillleben mit Flieder und Anemonen“ von Lovis Corinth (1858-1925) ist wieder da.
Das Motiv wirkt denkbar harmlos, einfach nur schön: zwei Blumenvasen, im Hintergrund ist eine dritte angedeutet. Vielleicht waren es ja die Geburtstagssträuße seiner Frau Charlotte, die der 66-jährige Corinth im Frühjahr 1925, kurz vor seinem Tod, mit leichter Hand malte. Es gibt sicher aufregendere Bilder aus dem Werk des leidenschaftlichen Künstlers, der die Lieblichkeit des Impressionismus expressiv verwandelt hatte. Aber auf der Rückseite, wo die Beschlagnahmung mit einem roten Kreuz markiert wurde, offenbart sich, so Martin Hoerner von der Siemens Kunststiftung, „der Abgrund der deutschen Geschichte“.
Blick in den Abgrund
Weil sich der klassisch ausgebildete Corinth der Verherrlichung verweigert hatte, hassten ihn die Nazis, nannten ihn „Schlächtermeister des Pinsels“ und beschlagnahmten im ganzen Land 347 seiner Werke. Auch in Düsseldorf, der einst so progressiven Kunststadt, hatte der Ungeist längst gesiegt. Eine „Sammelstätte rheinisch-deutschen, germanisch-westdeutschen Kunstschaffens“ sollte das Kunstmuseum nach dem erklärten Willen seines Nazi-Chefs Hans-Wilhelm Hupp sein. Gern gab er 1937 heraus, was dem Blut-und-Boden-Ideal nicht entsprach. Unter anderem Corinths „Blumenstillleben“.
Das Perfide daran: Die Nazis kannten durchaus den Wert der modernen Kunst. Sie versilberten sie schamlos für die Aufrüstung. Das Corinth-Gemälde wurde 1939 bei einer Auktion der Galerie Fischer in Luzern versteigert – an den deutsch-schweizerischen Waffenfabrikanten und Kunstliebhaber Emil Georg Bührle, dessen spektakuläre Sammlung im Kunsthaus Zürich ausgestellt wird. Dass die Erben Bührles das Stillleben Corinths jetzt an die Stadt Düsseldorf zu verkaufen bereit waren, ist den Verhandlungen des Münchner Galeristen Marco Pesarese zu verdanken.
Verloren und gewonnen
Felix Krämer nahm den Deal dankend an und ist jetzt „ein sehr glücklicher Museumsdirektor“ – zumal er vor wenigen Monaten ein anderes Prachtstück der Sammlung, Franz Marcs „Füchse“, an die Erben des jüdischen Vorbesitzers Kurt Grawi übergeben hat. Grawi, der dem KZ 1938 entkommen war, musste sich unter ungeklärten Umständen vor oder während seiner Flucht aus Deutschland von dem Bild trennen. Es gelangte in den Kunsthandel und wurde 1962 vom Düsseldorfer Museum gekauft. Damals fragte man nicht lange nach der Herkunft.
Jetzt, in aufgeklärteren Zeiten, versuchte man vergeblich, die „Füchse“ mit Hilfe von Spendern erneut für Düsseldorf zu erwerben. Das Bild wurde für sagenhafte 51 Millionen Euro bei Christie’s versteigert und der Öffentlichkeit entzogen. Umso erfreulicher ist die Rückkehr des Corinth-Stilllebens. Das Publikum wird den blühenden Schatz allerdings erst im kommenden Frühjahr zur Wiedereröffnung der Gemäldegalerie am Ehrenhof zu sehen bekommen.