Erkämpft! Kunst der Frauen im Malkasten Düsseldorf

Die Herren hatten sich heftig gewehrt. Noch 1975 – die Gleichberechtigung war längst erkämpft – wurde der Düsseldorfer Keramikerin Margret Westphal die demonstrativ beantragte Mitgliedschaft im Düsseldorfer Künstlerverein Malkasten verweigert. Doch der Druck der öffentlichen Meinung schwoll an. 1977, nach einer Kampfabstimmung, öffnete sich der Club endlich für die weibliche Seite der Kunst. Welche Bereicherung das war, zeigt jetzt eine exquisite Ausstellung mit 40 Positionen im neuen Malkastenforum am Park: „Her. un/seen“.
Ungesehen? Stimmt nicht so ganz. Als begleitende Gattinnen waren Damen durchaus willkommen – wenn sie willens waren, sich am Herrenabend diskret ins Goethezimmer zurückzuziehen. Es soll zwar Ausstellungen gegeben haben, in denen gönnerhaft Werke von Frauen gezeigt wurden, aber seit der Gründung 1848 hatte 129 Jahre lang nur „eine volljährige männliche Person“ das Anrecht auf ordentliche Mitgliedschaft. Bis zum Mai 1977. Da wurde Helga Radener-Blaschke (1922-2015), eine erfolgreiche Malerin, bekannt für großflächige Kunst am Bau, mit 66 zu 18 Stimmen als erste „Malkästnerin“ zugelassen – auf Probe.

Kein Macho der alten Art: Christoph Westermeier, hier vor Bildern der ersten Malkästnerin Helga Radener-Blaschke, leitet den traditionsreichen Künstlerverein. Foto: bikö
Springender Fisch
Heute teilen sich die Geschlechter die Macht im Verein, der sanft von einem jungen Mann, Christoph Westermeier, geleitet wird. Und es sind vier Frauen, die sich als Forscherinnen, Managerinnen und Kuratorinnen um die Ausstellung gekümmert haben: Kunsthistorikerin Beate Kolodziej, Archivleiterin Sabine Schroyen sowie die künstlerischen Vorstände Evamaria Schaller und Myriam Thyes. Der Fokus liegt auf Werken aus dem letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts, 1977 bis 1997, aber es gibt auch Älteres und Gegenwärtiges.

Die Kunsthistorikerin Beate Kolodziej, zwischen Bildern von Sabine Tschierschky (links) und Ulrike Beckmann, hat die Geschichte der Malkasten-Frauen erforscht. Foto: bikö
Ein paar aquarellierte Federzeichnungen („Schleiereule“, „Springender Fisch“) erinnern an Ilna Ewers-Wunderwald (1875-1957), eine Meisterin hochfeiner Illustrationen und Rebellin des Jugendstils, die ihren späteren Mann, den Schriftsteller Hanns Heinz Ewers, 1895 bei einem der feuchtfröhlichen Malkasten-Feste kennengelernt hatte. Ihr Bruder kümmerte sich um die Kegelturniere im Verein, Ewers’ Vater war im Vorstand. Doch die junge, unerhört talentierte Künstlerin hatte nie eine Chance, Mitglied zu werden.
Völlig losgelöst

Skulptur, Foto, Erdmalerei (von links): Werke von Julia Lohmann, Anna Jocham und Ulrike Arnold im Malkastenforum. Foto: bikö
Das gelang erst Helga Radner-Blaschke, der man vermutlich einen männlich markanten Stil bescheinigte, bevor sie 1977 in Gnaden aufgenommen wurde. Ihre abstrahierenden, klar konstruierten Entwürfe für Wandarbeiten in der Metallgewerblichen Berufsschule aus den 1960er-Jahren könnten auf solche Überlegungen hindeuten. Die Kuratorinnen haben daneben eine völlig losgelöste Arbeit des neuen Mitglieds Natascha Schmitten gehängt: „Milkyways II“, eine transparente schwebende Form. Es geht hier nicht der chronologischen Reihe nach. Die Schau ist nach ästhetischen Gesichtspunkten angeordnet, was sie spannend macht.
So treten in einen Dialog die punkigen Selbstporträts der 1923 verstorbenen Fotokünstlerin Claudia von Koolwijk und ein raffiniert stilisiertes Stillleben der damenhaften Herma Körding (1927-2010), berühmt auch für ihre Düsseldorfer Menschenbilder und eine der ersten Frauen im Malkasten-Vorstand. Ein pastellfarbener „Abflug“ von Sabine Tschierschky (1996) behauptet sich neben einer kraftvollen Komposition mit schwarzer Hammerfigur von Ulrike Beckmann: „Wir schlafen auf dem weichen Kissen der Unwissenheit“ (1988). Kim-Camille Kreuz reagiert mit einer Installation aus Stahl, Wachs und Video („don’t you watch me“) auf einen 40 Jahre alten Film der Video-Pionierin Nan Hoover: „Watching out“.

Fenster-Objekt am realen Fenster: Co-Kuratorin Evamaria Schaller vor der „Schwarzen Tür“ von Maren Heyne. Rechts: ein Video von Nan Hoover. Foto: bikö
Sterne und Erde
Mit dem realen Fenster zum Malkastenpark korrespondiert eine „Schwarze Tür“ vor fotografiertem Fensterblick: ein Objekt der kürzlich hochbetagt verstorbenen Maren Heyne. Die junge Fotokünstlerin Anna Jocham wiederum beschäftigt sich mit der Vergangenheit. Eine Schwarzweiß-Aufnahme vom Haus ihrer steirischen Großmutter, groß aufgezogen und in einem Stahlgestell präsentiert, beschwört ungewisse Erinnerungen. Flankiert wird das ganz neue Foto-Objekt von abstrakten Skulpturen aus Alu und Plexiglas, die Julia Lohmann 1995 entwarf („Sterne“) und drei frühen Erdmalereien von Ulrike Arnold, die ihr Material konsequent in der Natur sucht.

Gesichter und Geschichten: In Video-Interviews, die man anklicken kann, erzählen Malkästnerinnen von Leben und Werk. Foto: bikö
Im hinteren Raum, zwischen gemischten kleineren Arbeiten, erzählen Ulrike Arnold und andere Malkästnerinnen von Leben und Werk – auf Knopfdruck: Evamaria Schaller und Myriam Thyes haben 16 Video-Interviews gemacht. Man kann es sich ein Weilchen gemütlich machen mit diesen Geschichten. Davor, im Zwischenraum, gibt es noch eine entzückende Re-Animation der Schattenfiguren von Elly Ohms-Quennet (1909-1999). Die kuriosen Strichmännchen und einige gezeichnete Hintergründe wurden vom Theatermuseum ausgeliehen und für einen kleinen Trickfilm verwendet. Es darf geschmunzelt werden.

Re-animiert: Die Schattenfiguren von Elly Ohms-Quennet (1909-1999) wurden von Puppenspielerin Miriam Möller-Wieland für einen Film in Bewegung gesetzt. Foto: bikö
Was, wann und wo?
„Her. un/seen: Künstlerinnen im Malkasten 1977-1997“. Die Ausstellung im Malkastenforum, Düsseldorf, Jacobistr. 6A, wird am Dienstag, 14. Oktober, 17 bis 21 Uhr eröffnet. Sie ist bis 3. Februar 2026 zu sehen, immer Di. 17-21 Uhr sowie Do.-So. 11 bis 17 Uhr. Eintritt: 4 Euro, Mitglieder frei. Das Forum bleibt vom 22. Dezember bis 4. Januar geschlossen. www.malkasten.org