Brücke frei! Das Central ist Düsseldorfs neues Theater

Eigentlich war es nur ein Provisorium. Ein Ausweichquartier, während das schmucke Düsseldorfer Schauspielhaus 2016 bis 2019 saniert wurde. Aber das Publikum liebte das „Central“, zwei kleine Bühnen in einem Bürohaus über dem Stadtarchiv, ganz nah am Hauptbahnhof. Der Gag: Das Foyer befindet sich in einer verglasten Fußgängerbrücke, mit Blick auf eine raue Gegend. Genau hier, mitten im problematischen Leben, ist jetzt das Hauptquartier für Junges Schauspiel und Stadt:Kollektiv. Das neue „Central“ ist eröffnet – mit Grußworten, Bürger:innenchor, zwei Premieren und Party zwischendurch.

Nicht schön, aber zentral: Das Junge Schauspiel und das Stadt:Kollektiv haben ihr Hauptquartier jetzt an der Worringer Straße über dem Stadtarchiv. Foto. bikö
Die beiden Sparten vertragen sich so gut wie ihre Chefs, Stefan Fischer-Fels (Junges Schauspiel) und Birgit Lengers (Stadtkollektiv). Beide strahlten um die Wette, während Generalintendant Wilfried Schulz feststellte, dass hier zusammengeführt werde, „was zusammen gehört“. Hier wie da geht es ja hauptsächlich um den Nachwuchs und eine tolerante Weltanschauung, die sich durch wirkliches Erleben und Verstehen jenseits des TikTok-Kosmos herausbilden kann. Während das Kinder- und Jugendtheater für junge Menschen spielt, können sie beim Stadt-Kollektiv selbst auftreten – unter professioneller Regie.

Auf gute Zusammenarbeit: Stefan Fischer-Fels, der Leiter des Jungen Schauspiels, und Birgit Lengers, Chefin des Stadt:Kollektivs, teilen sich das neue Central. Foto: bikö
Ein gutes Zeichen
Okay, bei der Eröffnung des frisch renovierten Hauses waren mehr Erwachsene als Kinder zu sehen. Aber so ist das, wenn’s offiziell wird. Begleitet von Krawatten-Herren lieferten Oberbürgermeister Stephan Keller und NRW-Landeskulturministerin Ina Brandes ihre Grußworte ab, wobei die Ministerin mehr Frische und Begeisterung zeigte. Nach vielerlei Verzögerungen und Hemmnissen freue sie sich, „dass wieder Leben in der Brücke ist“. OB Keller, weiter im Kommunalwahlkampf, gab sich eher staatsmännisch. „Ein Zeichen für die Entwicklung des Viertels“ soll das Theater sein. Denn es gebe wohl „kaum einen Stadtraum, der so viele Herausforderungen bereithält“.
Das merkt man schon deutlich auf dem kurzen Weg vom Bahnhof zum Central: viel Müll, elende Gestalten, angespannte Atmosphäre. Daran ändern auch leuchtende Institutionen wie die Zentralbibliothek, das Tanzhaus weiter hinten an der Erkrather Straße und jetzt mitten drin das Central (noch) nichts. Die Politik bleibt vorsichtig: „Wir wollen Kultur schaffen, ohne Menschen zu verdrängen“, sagte der OB und war dann froh, das Thema abzuschließen und mit der Ministerin, Theaterleuten und ein paar Kindern ein goldenes Symbolband zu zerschneiden.

Im Foyer des Central auf der verglasten Fußgängerbrücke gibt es Erfrischungen, kleine Shows und Inspiration – wie hier am “Touchtable”. Foto: bikö
Eine Wundertüte
Im Hintergrund jubelte der Bürger:innenchor, der zuvor einen vielsprachigen Sprechgesang über die Stadt hören ließ: „Düsseldorf ist Vielfalt!“ Applaus!
„Es ist wahnsinnig viel drin in der Wundertüte Central“, versprach Kollektivchefin Birgit Lengers. Und nach einer Pause mit etwas Sekt und freien Falafel-Brötchen ging es weiter mit der ersten Kindertheater-Premiere: „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“.
Das kommt Oma und Opa bekannt vor. Kein Wunder: Die Vorlage, ein Kinderroman von James Krüss, erschien 1962 – lange vor der Übernahme der Weltherrschaft durch Internet und Smartphones. Regisseur Robert Gerloff, der im vorigen Jahr Kästners „Emil und die Detektive“ inszenierte, liebt solchen Oldschool-Stoff. Er hat auch keine Angst vor altmodisch bemalten Kulissen, viel Erzähltext und harmlos netten Songs. Bei ihm lernen Kinder ab 10 Jahren: Auch ohne digitalen Schnickschnack kann Spannung entstehen. Und alle fiebern mit.

Teuflische Szene aus “Thimm Thaler oder Das verkaufte Lachen”: Der Baron Lefuet (Eva Maria Schindele) schwatzt dem fröhlichen Timm (Hannah Joe Huberty) das Lachen ab. Foto: David Baltzer / Düsseldorfer Schauspielhaus
Teuflischer Spaß
Die muntere Hannah Joe Huberty spielt den Knaben Timm, dessen ansteckendes Lachen einen unheimlichen Herrn anlockt: den Baron Lefuet. Ja, der Name, umgekehrt gelesen, sagt es schon: ein Teufel in Menschengestalt (satanisch elegant: Eva Maria Schindele). Nach mephistophelischer Art schlägt er Timm einen Handel vor: Sollte der Junge ihm das Lachen verkaufen, wird Timm in Zukunft jede Wette gewinnen. Abgemacht! Aus den ersten fünf Mark, beim Pferderennen eingesetzt, wächst ein Vermögen. Timm, der manches Abenteuer zu Wasser und zu Lande erlebt, wird reich, aber – natürlich – nicht glücklich. Bis ihm die richtige Wette einfällt, um den Teufel zu besiegen …
Wer nach dem großen Jubel fürs Ensemble noch Kraft hatte, blieb weiter im Central, zur zweiten Premiere auf der zweiten Bühne. 13 Schüler*innen zwischen 9 und 18 Jahren zeigten dort am späteren Abend, wie ambitioniert die Arbeit des Stadt:Kollektivs ist. Die Schweizer Regisseurin Fabiola Kuonen erarbeitete mit den Kindern eine ganz eigene Version von Georg Kaisers expressionistischem Drama „Das Floß der Medusa“. 13 schiffbrüchige Kinder werden mit zentralen Fragen der Menschheit konfrontiert: Um welchen Preis wollen wir überleben?

Großer Auftritt: Kinder und Jugendliche vom Stadt:Kollektiv spielen in einem finsteren Stück nach Georg Kaiser: “Das Floß der Medusa”. Foto: Thomas Rabsch / Düsseldorfer Schauspielhaus
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Die nächsten Vorstellungen von „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ vormittags am 23. und 24. September sind schon ausverkauft. Karten gibt es noch für den 31. Oktober, 18 Uhr, sowie für den 3. und 4. November vormittags (für Kinder ab 10 Jahren). Dazwischen steht Repertoire auf dem Programm: „Faust 1+2+3“ ab 14 Jahren und „Pinocchio“ ab sechs Jahren. Auf der zweiten Bühne wird am 28. September um 16 Uhr „Die Tür“ für die ganz Kleinen ab vier Jahren uraufgeführt. Die Produktion des Stadt:Kollektivs, „Das Floß der Medusa“, ist für 29. September und 7. Oktober, 19.30 Uhr, geplant. Kick off für den Jugendbeirat Junges Schauspiel, „D’Insiders“, ist am Freitag, 26. September, 18 Uhr. Natürlich im Central, Worringer Straße 140. Wer sich interessiert, kann einfach mal vorbeikommen oder sich anmelden unter dinsiders@dhaus.de.