Düsseldorf: 25 Jahre nach dem Wehrhahn-Anschlag – Gedenken und Appell

Eines einte die über 200 Menschen, die sich am Sonntagnachmittag (27.7.) um 15 Uhr an der S-Bahn-Station Wehrhahn versammelt hatten. Die Fassungslosigkeit über den heimtückischen, rassistischen und antisemitisch motivierten Anschlag auf zwölf Menschen vor 25 Jahren. Viele der Teilnehmenden können sich noch an den Tag erinnern. Doch es nahmen auch zahlreiche jüngere Menschen teil, die damals noch Kinder oder gar nicht geboren waren.

Sabine Reimann moderierte das Gedenken
Dazu gehörte auch Chiara Zucconi. Sie hat im Rahmen ihres Geschichtsstudiums 2023 an einem Seminar an der Heinrich Heine Universität teilgenommen und dabei festgestellt, dass sie und Kommilitonen kaum etwas über das Attentat wussten. Wenige hatten Erinnerungen und auch für Schüler*innen war der Anschlag nicht präsent. Im Kontakt zu Sabine Reimann und Prof. Dr. Fabian Virchow versuchte sie weitere Informationen zu sammeln. In einem Interview mit Stella Shcherbatova erfuhr sie, wie groß die Wut und die Betroffenheit der Menschen bis heute noch ist. Shcherbatova gehörte nicht zu den Opfern des Anschlags, hatte aber nach ihrer Ankunft in Düsseldorf 1998 ebenfalls einen Sprachkurs besucht. Sie hatte in der Ukraine Psychologie studiert und ist als Beraterin für Menschen tätig, die von Antisemitismus betroffen sind.

Über 200 Menschen war zum Gedenken gekommen
Auch der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, Dr. Wladislaw Korenblum, berichtete in seinem Redebeitrag, von seiner persönlichen Betroffenheit, denn auch er hatte einen solchen Sprachkurs absolviert. Das gehörte zur Integration der sogenannten Kontingentflüchtlinge, von denen zwischen 1991 und 2004 über 200.000 jüdische Zuwanderer nach Deutschland kamen, die häufig einen akademischen Hintergrund hatten. Korenblum führte aus, dass der Anschlag im Gegensatz dazu stehen, was Düsseldorf eigentlich ausmache, als Ort der Vielfalt, wo niemand Angst haben müsse. Er sprach sich dafür aus, den 27. Juli zu einem festen Gedenktag zu machen, da die Erinnerung kein Randthema sein dürfe, und dankte allen, die am Sonntag gemeinsam ein Zeichen setzten.

Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller nannte den Anschlag ein feiges Attentat
Für die Stadt Düsseldorf sprachen Oberbürgermeister Stephan Keller und Bezirksbürgermeisterin Annette Klinke. Keller appellierte an die Verantwortung für die Zukunft, für die ein Schulterschluss aller gebraucht werde. Klinke erinnerte an die Gedenktafel, die zum 20. Jahrestag installiert worden war und berichtete, dass es Entwürfe von Studierenden gebe, wie ein Gedenkort gestaltete werden könne. Dies sei noch in Abstimmung mit der Deutschen Bahn.

(v.l.) Wolfgang Rolshoven, Dr. Wladislaw Korenblum und Dr. Stephan Keller
Die Düsseldorfer Lokalpolitik hielt sich am Sonntag mit Anwesenheit eher zurück. Neben Keller und Klinke waren der Antisemitismusbeauftragte Wolfgang Rolshoven, Bürgermeisterin Clara Gerlach, einige wenige Mitglieder der Bezirksvertretungen 1 und 2 sowie der Linken gekommen. Trotz Kommunalwahlkampf war das Gedenken für viele offenbar nicht wichtig genug, was leider widerspiegelt, wie die Stadt jahrelang mit dem Anschlag und den Opfern umgegangen ist.

Die St. Elisabeth Kirche am Vinzenzplatz gedachte mit Banner und Fahne und bot einen Raum der Stille
Initiative „Wehrhahn erinnern“
Die Initiative „Wehrhahn erinnern“ hatte am Sonntag zum Gedenken eingeladen. Die Gruppierung hat das Ziel, die Erinnerung an den Wehrhahn-Anschlag aufrechtzuerhalten, damit die Geschehnisse nicht in Vergessenheit geraten. Sie sollen Teil des öffentlichen Bewusstseins von Düsseldorf werden und über die Geschichte und Gegenwart rechter Gewalt aufklären. Weitere Informationen gibt es hier auf der Webseite.

(v.l.) Sabine Reimann, Prof. Dr. Fabian Virchow, Chiara Zucconi und Dominik Schumacher stellen das Buch “Und damit kam die Angst” zum Wehrhahnanschlag vor
Dazu gehörte am Sonntag neben einem Vortrag und Rundgang zum Wehrhahn-Anschlag auch die Vorstellung des Buchs „Und damit kam die Angst“. Herausgeber sind Sabine Reimann und Prof. Dr. Fabian Virchow (ISBN: 978-3-86331-807-9, Metropol Verlag, 22 Euro), die mit zahlreichen Mitautoren die Ereignisse des Anschlags beschreiben sowie die Folgen für die Betroffenen. Sie werfen einen kritischen Blick auf die polizeilichen Ermittlungen und den Prozess. In weiteren Beiträgen beleuchten sie die extrem rechten Strukturen im Raum Düsseldorf sowie die antisemitische Propaganda in rechten Medien.
Weitere Veranstaltungen im Rahmen des Gedenkens

Der Rundgang, der zum Vortrag von Jürgen Peters gehörte, vermittelte auch Eindrücke über die Schauplätze im Zusammenhang mit dem Anschlag
- Vortrag und Rundgang zum Wehrhahn-Anschlag: am 6. August von 18:30 bis 21 Uhr, Start: ASG-Bildungsforum, Gerresheimer Str. 90, Referent: Jürgen Peters, kostenfreie Anmeldung unter bildungsforum@gmx.de erforderlich.

Von dieser Mauer aus hat der mutmaßliche Attentäter die Bombe ferngezündet
- Ab September Bildungsangebote für Schüler*innen und Jugendliche: Für Schüler*innen und Jugendgruppen ab Jahrgangsstufe 10 ist ein Impulsvortrag zu Tat und Prozess sowie Rundgang am S-Bahnhof Wehrhahn und anschließend Raum für Fragen und Reflektion zusammengestellt worden. Die Buchung ist per Mail an sabine.reimann@hs-duesseldorf.de möglich.
- Autorenvortrag zu antiosteuropäischem Rassismus am 29. Oktober um 18 Uhr in der Hochschule Düsseldorf: PD Dr. Hans-Christian Petersen, Historiker am Bundesinstitut für Kultur und Geschichte des östlichen Europa in Oldenburg, referiert über antiosteuropäischen Rassismus und den Wehrhahn-Anschlag. Informationen unter forena.de.
Chronologie des Anschlags

Durch diesen Zugang ging die Gruppe vor 25 Jahren, als der Sprengsatz explodierte
Am Eingang zur S-Bahn-Station Wehrhahn an der Ackerstraße explodierte am 27. Juli 2000 eine Bombe. Ein heimtückischer, rassistischer und antisemitisch motivierter Anschlag auf zwölf Menschen. Sie kamen aus Russland, der Ukraine, Aserbaidschan und Kasachstan nach Düsseldorf und besuchten einen Sprachkurs. Zehn von ihnen wurden bei dem Anschlag verletzt, einige lebensgefährlich, eine Frau verlor ihr ungeborenes Kind. Viele von ihnen wurden traumatisiert und leiden bis heute unter den Folgen des Anschlags. Aufgeklärt wurde der Anschlag nie, obwohl es Hinweise auf einen Täter aus der extremen rechten Szene gab. Der Tatverdächtige wurde freigesprochen. Die Betroffenen wurden nie offiziell als Opfer rechter Gewalt anerkannt oder entschädigt.

Die Installation nach einem Entwurf von Maurice Uhrhan markiert seit fünf Jahren die Stelle, an der der Sprengsatz angebracht war