Mit kritischem Geist: Neues Design aus Düsseldorf

Die KI ist ein smarter Kollege. Das spürt auch und gerade die Werbe- und Gestaltungsbranche. Für den schönen Schein, knackige Slogans, schräge Bilder wird der lebendige Geist immer weniger gebraucht. Das kritische Bewusstsein hingegen ist immer noch verbunden mit der menschlichen Moral. 70 Absolvent*innen der Peter Behrens School of Arts an der hiesigen Hochschule zeigen ihr „New Design from Düsseldorf“ in vorwiegend ernsthaften künstlerischen Positionen. Leider nur vier Tage lang im NRW-Forum.
Die Zeit ist knapp, kurz vor der Eröffnung wird noch gehämmert und geleimt. Die jungen Designer machen alles selbst – auch die Ausstellungsmöbel. In einem Seminar zum Thema „Barrierefreiheit und Nachhaltigkeit“ haben sie rustikale Podeste und Vitrinen aus Hanfkalk hergestellt, einem naturbelassenen und dabei schalldämpfenden und feuerfesten Material. Dort finden kleinere Exponate ihren Platz – wie eine Handtasche, deren weiße Oberfläche sich bei Sonnenstrahlung stufenweise verfärbt und vor UV-Schäden warnt. Objektdesignerin Estelle Willers hat sich „The Suncare Project“ ausgedacht.
Was denkst du?

Ein Kunstobjekt mit Steinen, Moos, Wasser und Sensoren konstruierte das Retaildesign-Duo Timo Spicker und Kimberly Fischer: “The invisible Power of Interaction”. Foto: bikö
Auch Kimberly Fischer und Timo Spicker, die sich im Studiengang für Retail Design mit der Gestaltung von Verkaufsflächen beschäftigt haben, reflektieren den Klimawandel und das Verhältnis von „Mensch und Umwelt“. Sie installierten „The invisible Power of Interaction“, die unsichtbare Macht der Interaktion. Zwei in einem Metallbehälter hängende Felsenstücke, die mit malerischem Moos bewachsen sind, werden nur bei sensorisch registrierter Annäherung neugieriger Betrachter mit einem Wassernebel besprüht – und so vor dem Vertrocknen bewahrt.

“Was denkst du?” will Kommunikationsdesignerin Charlotte Poos wissen und stellt Passanten mit einer Werbewand ihre Fragen. Foto: bikö
Julia Linning denkt ganz praktisch und macht aus Kunststoffabfall schöne Rucksäcke mit einem zufälligen Muster, das sich die Farben der Bestandteile ergibt („Crafting Waste“). Kommunikationsdesignerin Charlotte Poos ist an Weltanschauungen interessiert. „Was denkst du?“ will eine bunte Plakatwand in zehn Sprachen wissen. „Macht dir das Fremde Angst?“ ist eine der direkten Fragen. Unter einem QR-Code kann man Antwort geben und Antworten lesen wie: „Manchmal total. Aber es reizt mich auch. Und alles ist zu Beginn fremd.“
Körpergefühle

Mit bissigem Humor kommentieren die Fotos von Katharina Senff herrschende Schönheitsideale und das eigene Körpergefühl. Foto: bikö
Sogar der eigene Körper kann dem Menschen fremd werden. Katharina Senff hat sich lange mit dem Thema beschäftigt: „Ich kenn dich nicht, aber ich schmink dich trotzdem“, so betitelt sie eine Fotowand mit bissigem Humor. Da steckt sie mit dem Oberkörper in einem umgekippten Kinderzelt, nur die Beine gucken raus. Da hockt sie halbnackt mit Daunenjacke auf einer Säule. Da zeigt sie Speckröllchen und Verletzungen. Auf einem großen Wallpaper in der Mitte verschwindet eine zerstückelte Barbie in einem Wackelpeter-Guglhupf. So werden die Schönheitsideale von der Realität vernascht.

Um digitale Gewalt gegen Frauen und heimliche Machenschaften im Netz geht es Laura Sistig in ihrem Comic mit dem Titel “Hass hinter Glas”. Foto: bikö
Das Netz zeigt oft kein Wohlwollen. Besonders Frauen sind im digitalen Bereich oft dem ausgesetzt, was Laura Sistig „geschlechtsspezifische Gewalt“ nennt. Heimlich gefilmte Liebesszenen werden (aus Rache) gepostet, Köpfe digital auf falsche Körper montiert. Die Kommunikationsdesignerin hat dazu eine Art Comicbuch gezeichnet: „Hass hinter Glas“. Drei vergrößerte Beispielseiten erscheinen als Tapete an der Wand. Die sehen aus der Ferne leicht und nett aus – und sind doch bestürzende Mahnungen. Aber es gibt in der vielfältigen Schau auch unbeschwerte Kreationen wie zum Beispiel die skulpturalen Raumteiler, die Raphael Mauckner aus Filz und Holz konstruiert hat. Eines der „Spatial Bodies“ erinnert an eine Hose, das andere an ein halbes T-Shirt. Für Riesen. Ein Lächeln im Raum.

Raumteiler wie Skulpturen: Aus Filz und Holz konstruierte der junge Designer Raphael Mauckner seine “Spatial Bodies”. Foto: bikö
Was, wann und wo?
„New Design from Düsseldorf“: Absolvent*innen der Peter Behrens School of Art zeigen ihre prämierten Abschlussarbeiten bis 10. Juni im NRW-Forum, Ehrenhof 2. Täglich 11 bis 18 Uhr. Eröffnung Freitagabend, 6. Juni, ab 18 Uhr. www.nrw-forum.de