„Kraft der Kunst“: Schulz’ letzte Saison im Schauspiel Düsseldorf

Theater spielt im Augenblick. Und so macht Wilfried Schulz, ohnehin ein leiser Typ, kein Gedöns um die Tatsache, dass die nächste Spielzeit am Düsseldorfer Schauspielhaus seine letzte sein wird. Mitte nächsten Jahres wird der Schweizer Dramaturg Andreas Karlaganis von ihm den Chefposten übernehmen. Aber bis dahin gibt es erst mal noch ein buntes Stück Zukunft der Ära Schulz. Im Spielplan 2025/26, einem dicken schönen Bilderbuch mit Fotos von Thomas Rabsch, wird „die Kraft der Kunst“ besungen. Der Anspruch ist und bleibt groß: „Würde und Freiheit“. Für jedermann.

Der Fotograf Thomas Rabsch hat das Buch zum Spielplan illustriert: Das abgebildete Porträt zeigt die Schauspielerin Rosa Enskat in einer Hotelbar mit Blick aufs Theater. Foto: Thomas Rabsch / Düsseldorfer Schauspielhaus
Mit einem „Schneesturm“ geht es am 12. September los. Furios. Der Moskauer Erzähler Vladimir Sorokin schrieb 2010 das sehr russische Winterdrama um einen Arzt, einen Kutscher und die Naturgewalt. 2022, als Putin die Ukraine überfallen hatte, verließ Sorokin seine Heimat. Er lebt seither im Berliner Exil – genau wie der Regisseur Kirill Serebrennikow, der die Dramatisierung des Romans bei den Salzburger Festspielen und in Düsseldorf auf die Bühne bringt. Ein deutscher Theater- und Filmstar spielt die Hauptrolle, den Doktor Garin: August Diehl. Und auch der Schneesturm hat seinen Auftritt – mit Tänzern, Mimen und Musikern.
Krieg und Frieden
Weiter geht es im Großen Haus mit Shakespeares turbulenter Komödie „Was ihr wollt“, inszeniert von Oberspielleiterin Bernadette Sonnenbichler, bevor sie ihren Abschied nimmt, um als Intendantin nach Heidelberg zu gehen. „Wie eine irisierende Seifenblase“ sieht sie die Geschichte um Viola, die an der Küste Illyriens strandet und sich dort als Mann verkleidet. Was zu Irrungen und Liebesverwirrungen führt.
Andere alte literarische Bekannte erscheinen auf der großen Bühne in Molières „Menschenfeind“, Ionescos Groteske „Die Nashörner“, Tolstois „Krieg und Frieden“. Der altgediente Regisseur Andreas Kriegenburg präsentiert eine Textcollage als „Kafkas Traum“, seine junge Kollegin Luise Voigt inszeniert „Das Buch der Unruhe“ des Portugiesen Fernando Pessoa. Dann ist schon wieder Frühling und ein neues Open-Air-Spektakel wird vorbereitet: Michael Endes „Unendliche Geschichte“ für die ganze Familie (Mai 2026) auf dem Gründgens-Platz.

Auf dem Gründgens-Platz wird derzeit die Bühne für das jährliche Open-Air-Theater aufgebaut: Shakespeares “Sommernachtstraum” – ab 23. Mai. Foto: bikö
Frühlings Erwachen
Im Kleinen Haus wird ab 14. September dieses Jahres „Der Fall McNeal“ von Ayad Akhtar verhandelt. In der deutschen Erstaufführung des amerikanischen Stücks geht es um einen Schriftsteller, der die Tagebücher seiner verstorbenen Frau mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz in einen Erfolgsroman umwandelt. Ist das erlaubt?
Einfachere Fragen stellt die Uraufführung eines Teenager-Stücks nach dem Roman von Ex-Fußballer Christoph Kramer: „Das Leben fing im Sommer an“. Außerdem im Kleinen Haus: Wedekinds „Frühlings Erwachen“, inszeniert von Bonn Park, eine Dramatisierung des Eulenspiegel-Romans „Tyll“ von Daniel Kehlmann unter der Regie von André Kaczmarczyck und schließlich Thomas Bernhards „Theatermacher“.
Großer Spaß
Das Junge Schauspiel und das Stadt:Kollektiv, auch in Zukunft geleitet von Stefan Fischer-Fels (für die Jugend) und Birgit Lengers (für das Kollektiv), müssen sich gut vertragen. Denn das Central neben dem Hauptbahnhof ist künftig ihr gemeinsames Domizil und soll ein „kreatives Kraftzentrum“ in einem eher schwierigen Umfeld werden. Die in einem Bürohaus gelegene Spielstätte thront mit ihrem gläsernen Brücken-Foyer gewissermaßen über den Verhältnissen auf der Straße. Das Programm startet am 19. September mit einem Klassiker der Kinderliteratur: Schon in den 1960er-Jahren las man „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ von James Krüss.

Stefan Fischer-Fels, hier auf der Foyer-Brücke im Central, soll auch nach dem Intendanz-Wechsel der Leiter des Jungen Schauspiels bleiben. Foto: bikö
Die ganz Kleinen sollen sich über „Die Tür“ von Gregory Caers freuen: „ein großer Spaß“. Zu Weihnachten gibt’s wieder Kästner: „Emil und die drei Zwillinge“, Premiere im Großen Haus. Für Jugendliche schrieben Lutz Hübner und Sarah Nemitz über die Folgen der Pandemie: „The Drop“. Uraufführung (in Kooperation mit der Rheinoper) ist am 5. Dezember. Uraufgeführt wird auch „Das grüne Königreich“ von Cornelia Funke, bevor das beliebte „NEINhorn“ mit Musik von Matts Johan Leenders auf die Bühne kommt. Und zum Schluss wird Orwells „1984“ diskutiert: „Big Brother Is Watching You“.
Schwestern gesucht
Das Stadt:Kollektiv lässt zum Saisonbeginn „Das Floß der Medusa“ schwimmen. 1945 schrieb Georg Kaiser die Tragödie über den Überlebenskampf von 13 schiffsbrüchigen Kindern. Regisseurin Fabiola Kuonen findet gewiss die gruselige Nähe zur Gegenwart. Die Performerin und Autorin Laura Naumann sucht für eine „Tschechow-Fantasie in der Gegenwart“ („Drei Schwestern“) noch „musikalische und weiblich sozialisierte Menschen ab 25 Jahren“. Ebenfalls im Central wird die Drag-Queen des Schauspielhauses, Effi Biest, ihre Fans regelmäßig zur queeren Party einladen: „Drag & Biest“.

Jede*r darf mitmachen: Yoga-Session mit Trainerin Joya im Foyer des Großen Hauses. Foto: Thomas Rabsch / Düsseldorfer Schauspielhaus
Übrigens: Wer nicht gleich den großen Auftritt will, kann im Schauspielhaus trotzdem aktiv mitmachen. Das Theater soll „ein Forum für die Stadtgesellschaft“ sein. Nicht nur mit Diskussionen, auch mit Theaterclubs, Kleidertausch, Disco-Feiern, offenem Training. Immer mittwochs ab 17 Uhr gibt es im offenen Foyer abwechselnd Tanz und Yoga, einmal im Monat wird gemeinsam gesungen: „Move it! Sing it!“ Kostenlos. Die ganze Welt ist eine Bühne.
Buch der Saison
Das lila Buch zum Spielplan 2025/26, reich illustriert mit originellen Schauspieler*innen-Porträts von Thomas Rabsch, hat 166 Seiten und wird kostenlos an der Kasse und im Foyer des Düsseldorfer Schauspielhauses ausgegeben. www.dhaus.de

Das Buch zum Spielpan (mit der aktuellen Theaterzeitung) wird kostenlos verteilt. Foto: bikö