Shakespeare und Fußball-Show: Schauspiel Düsseldorf für alle
Yoga und Klamottentausch für alle im Foyer, Drag-Queens im Unterhaus, kreative Jugend- und Sozialarbeit im „Stadt:Kollektiv“. Das Düsseldorfer Schauspielhaus ist schon längst nicht mehr (nur) fürs Plaisir des Bildungsbürgers da. Man will sich, wie Generalintendant Wilfried Schulz sagt, verstärkt um drei gesellschaftspolitische Themen kümmern: „Nachhaltigkeit, Inklusion und Diversität“. Dabei soll niemand vergrault werden. Mit einem Klassiker ersten Ranges, Shakespeares „Richard III.“, wird am 2. September die Saison 2023/24 eröffnet. Und am Ende wird bei der Fußball-EM mitgespielt.
Wie gut, dass die Weisheiten der großen Literaten zeitlos sind. Shakespeares Geschichten um Machtrausch und Fall von Tyrannen passen ja schmerzlich gut in unsere Gegenwart, wie Dramaturgin Janine Ortiz bemerkt. Deshalb soll „Macbeth“ mit André Kaczmarczyk weiter im Programm bleiben. Auch der Fiesling Richard III. („Ich bin so hässlich, ich bin der Hass.“) wird von dem umjubelten Publikumsliebling gespielt, der dem Düsseldorfer Theater trotz seiner Fernsehkarriere als queerer Polizeiruf-Kommissar vorerst treu bleiben will. Regie führt übrigens wieder der Shakespeare-Experte Evgeny Titov.
Das Glück des Intendanten
Der Andrang wird sicher groß sein, denn trotz digitaler Reizüberflutung gibt es, so Schulz, eine „Sehnsucht nach Nähe“ und gemeinschaftlichen Erlebnissen „live in einem Raum“. Dafür sprechen die Besucherzahlen in der laufenden Saison: etwa 200 000. Die Auslastung bei vielen ausverkauften Vorstellungen beträgt rund 80 Prozent: „Wir sind wieder da“, freut sich Schulz. Zum ersten Mal in seiner Intendanz konnte er „eine ganz normale tolle Spielzeit“ erleben – ohne Ausweichquartiere, Bau-Stress, Lock-down und Corona-Krise. „Wir sind sehr glücklich“, beteuert er.
Und so geht es munter fort mit 27 neuen Produktionen. Die zweite Premiere im Großen Haus ist „Der Besuch der alten Dame“, das böse Rachestück von Dürrenmatt. Rosa Enskat spielt die große Frauenrolle, in der einst die legendäre Elisabeth Flickenschildt brillierte. Weitere theatralische Vertrautheiten auf dem Plan der beiden Bühnen: Ibsens „Peer Gynt“ in der frischen Regie von Bernadette Sonnenbichler, Büchners „Woyzeck“, Kleists „Amphitryon“, Millers „Tod eines Handlungsreisenden“ und eine „Orestie“ frei nach Aischylos. Die berühmte Filmsatire „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“ von Luis Buñuel wird von Oberspielleiterin Sonnenbichler auf die kleine Bühne gebracht.
Märchen für Familien
Zur Weihnachtszeit dürfen sich Familien auf ein Märchenstück freuen: „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ – inzeniert vom fleißigen Kaczmarczyk in seiner Eigenschaft als Regisseur. Auch als Dozent im Schauspielstudio engagiert sich der Ensemble-Star und präsentiert die neue Generation der Talente im Kleinen Haus mit einem Vaudeville unter dem Titel „Folies! Folies! Folies!“.
Weiteres neues Material im Spielplan: „Keine Sorge“, eine musikalische Religionskritik von Kultregisseur Bonn Park, der schon die bizarre Weltraumoper „Rückkehr zu den Sternen“ nach Düsseldorf brachte. Um alltägliche Realitäten geht es in einem Stück von Suzie Miller („Prima Facie“), in dem Lou Strenger einen Solo-Auftritt als Anwältin hat. Der Japaner Toshiki Okada inszeniert die Uraufführung seines Stücks über das Phänomen „Homeoffice“, Andreas Kriegenburg das Frauendrama „die unverheiratete“ (klein geschrieben) von Ewald Palmetshofer.
Hip-Hop und Schiller
Eröffnet wird die Saison im Kleinen Haus am 9. September mit einer Dramatisierung der Tagebücher des todkranken, 2013 verstorbenen Autors Wolfgang Herrndorf („Tschick“). Titel: „Arbeit und Struktur“. Das klingt streng, soll aber auch witzig sein. Und dann geht’s noch ins Unterhaus, die schummrige Werkstattbühne im Keller, wo nicht nur die Travestie-Revuen locken, sondern auch Uraufführungen von junger Bühnenkunst wie „Eurydike Deep Down“ von Michele De Vita Conti, ein „Mindset“ des Internet-Satirikers „El Hotzo“ und „Liv Strömquists Astrologie“.
Highlights im Jungen Schauspiel, das in der kommenden Saison noch an der Münsterstraße bleibt, sind das Hip-Hop-Spektakel „Time to Shine“ und eine Jugendversion von Schillers Actiondrama „Die Räuber“. Das Stadt:Kollektiv unter Leitung von Birgit Lengers und Bassam Ghazi arbeitet mit engagierten Laien an dem türkischen Familiendrama „Dschinns“, Büchners „Leonce und Lena“ sowie einer „generationskonfrontativen Inszenierung“ mit dem bedrohlichen Titel „Zorn“.
Der Ball ist rund
Aber zum Schluss der Saison, im Juni/Juli 2024, dürfen Jung und Alt in holder Eintracht die Fußball-EM feiern. Nachdem der Gründgens-Platz zur Fan-Zone erklärt wurde und für Live-Übertragungen genutzt werden soll, präsentiert das Schauspielhaus Open Air das passende multinationale Spektakel „Glaube, Liebe, Fußball“. Weitere Informationen unter www.dhaus.de