Lichtblicke in Düsseldorf Oberkassel: Kunst in Stiftungshäusern

Diese Kunsthallen sind klein. Aber äußerst fein. Private Stiftungen. Die eine residiert im Ex-Atelier von Joseph Beuys, die andere in einer bürgerlichen Villa. Eine geistige Bereicherung im allzu schick gewordenen Viertel Oberkassel, wo der Erfolgsmensch feiert und die Mieten hochtreibt. Bei einem Sonntagsspaziergang kann man gleich beide Häuser besuchen und sehr subtile, außergewöhnliche Kunst kennenlernen: die „Lichtlinien“ des Kölner Bildhauers Simon Schubert in der Brunhilde-Moll-Stiftung (bei Beuys) sowie „Cyanblau, Chromgrün, neue Farben“ von Nora Schattauer in der Kopfermann-Fuhrmann-Stiftung an der San-Remo-Straße.

Dreidimensionale Bilder: „Tür“ und „Türklinke“ aus der Holographieserie von Simon Schubert. Foto: bikö
Als studierter Bildhauer (Schüler von Irmin Kamp) kennt sich der 1976 geborene Simon Schubert aus mit dem Dreidimensionalen. Er hat den Boden des Beuys’schen Gartenzimmers, wo noch das Ofenrohrloch an die alten Seiten erinnert, mit Bitumen bedeckt, dem zähen Abdichtmaterial für Dächer. Daraus wächst gewissermaßen eine schwarz glänzende Skulptur mit einem umgekippten Haus auf einer Spitze. In der Mitte des Raums steht eine Doppeltür, aus der es zwitschert. Man sieht durch den Spion ein Stück Grünes, einen Baum vielleicht. Unerreichbar wie die Türklinke auf zwei grün leuchtenden Holographien. Eine kleine Melancholie stellt sich ein.

Es geht um die Linien aus Licht und Schatten: „Fenster“, „Vorhang“ und „Wand“ auf Graphitarbeiten von Simon Schubert. Foto: bikö
An den Wänden hängen Innenansichten: weitere Türen, Treppen, Fenster. Ein Flur. Ein Vorhang. Nichts als Licht und Schatten, schwarz-weiß. Fotografien könnten das sein, aber beim näheren Hinsehen erkennt man malerische Strukturen. Tatsächlich handelt es sich um Schuberts spezielle Art von Zeichnungen. Ohne Stift. Er reibt Graphitpulver direkt in das Papier, verstärkt das Schwarz, wischt, radiert, macht Weißes wieder sichtbar. So entstehen geheimnisvolle, menschenleere Interieurs.
Ein Geisterhaus
So stark verknüpft sind diese Blätter mit dem Wesen des Künstlers, dass er in einer Vitrine, die er „Selbstporträt“ nennt, neben einer Stickstoffkartusche, Wasserstoff, Sauerstoff, Elektrolyten und was sonst den Menschen biochemisch zusammenhält, auch Flaschen mit Graphitpulver arrangierte. Das hat ihn allerdings nicht daran gehindert, in seinen neuesten Arbeiten vollkommen auf Farbe zu verzichten.

Geprägte Linien: Weiße „Faltungen“ von Simon Schubert an der Wand, davor eine Vitrine mit biochemischen Stoffen als „Selbstporträt“. Foto: bikö
Mit einem Spachtel drückt und faltet er Reliefs in große, feste Papierbögen und lässt so schwerelose Ahnungen von Räumen entstehen. Nur durch den Schatten, den das einfallende Licht hinterlässt, erkennt man die mit äußerster Präzision eingedrückten Linien bis hin zum Muster des Parketts. In einem kleinen Trickfilm lässt Schubert durch digitales Wischen eine Art Gedankengeist durch die imaginären Gebäude gehen. Faszinierend …
Vom Schweben

Mit der Pipette getropft: „BlauXIII“ und „BlauXII“ von Nora Schattauer. Foto: bikö
Auch die Malerin Nora Schattauer (73) hat ihre ganz eigene Technik, unverwechselbar. Sie benutzt schon lange nicht mehr Pinsel und herkömmliche Farben, sondern mineralische und metallische Stoffe, die sie auflöst und jeweils mit einer Pipette auf Spezialpapier tropfen lässt. Erst mit der Zeit und durch die Einwirkung von Licht entwickeln sich die Farben: ein zartes Grün, Nuancen von Grau, ein tiefes Blau. „Mich interessiert Farbe als eine Erscheinung, die wird“, zitiert der schöne schmale Katalog die künstlerische Absicht.

Schwerelos: Arbeiten von Nora Schattauer in der Kopfermann-Fuhrmann-Stiftung. Foto: bikö
Die Form lässt sich nie so klar bestimmen wie auf einer Zeichnung. Nora Schattauer arbeitet zwar in konstruktiven Rastern, aber die malerischen Linien, die man am Ende sieht, entstehen sozusagen von selbst durch die Ausdehnung und Berührung der einzelnen Farbstoffe. Es muss auch für die Künstlerin selbst immer wieder eine Überraschung sein. Eine Offenbarung. In den stillen, intimen Räumen des Kopfermann-Hauses schweben die Bilder nun in sensibler Hängung: das wabenhafte „Silbern2“, das wolkige „Chromviolett“, ein Cyanblau in Variationen von Gitterstrukturen bis zu wellenartigen Reihen. Tatsächlich ist es das Wasser des Rheins, „das Fließen, das Rauschen“, was die gebürtige Duisburgerin und Wahl-Kölnerin immer inspiriert hat: „Ich lasse Farbe laufen …“ Aber mit System.

Gitter und Wellen entstehen durch mineralische Farbstoffe: drei Blätter aus der „GF“-Serie von Nora Schattauer. Foto: bikö
Was, wann und wo?
„Lichtlinien“ von Simon Schubert: bis 31. Januar 2026 bei der Brunhilde-Moll-Stiftung im ehemaligen Beuys-Atelier, Drakeplatz 4. Geöffnet Sa./So und Di. 12-16 Uhr, Do. 14 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. www.brunhildemollstiftung.de
„Cyanblau, Chromgrün, neue Farben“ von Nora Schattauer: bis 1. Februar 2026 im Kopfermann-Fuhrmann-Stiftungshaus an der San-Remo-Str. 6, Düsseldorf-Oberkassel. Eintritt ebenfalls frei. Geöffnet leider nur Sonntag von 14 bis 18 Uhr. Ein Katalog ist im Kettler-Verlag erschienen und kann gegen Spende mitgenommen werden. www.kopfermann-fuhrmann.de