Nur keine Hemmung: „Sex Now“ im NRW-Forum Düsseldorf

Da staunen Kulturjournalisten und Influencer*innen: Zur Pressemappe gibt’s ein Kondom, Gleitmittel-Pröbchen und glibbrige Mini-Sex-Toys. „Sex Now“ heißt die letzte Schau von Alain Bieber nach zehn Jahren als künstlerischer Leiter des NRW-Forums. Er hoffe, sagte er in seiner atemlosen Art, dass er „Düsseldorf ein wenig bunter und wilder gemacht“ hat. Kann man wohl sagen! Die neue Ausstellung nach den „Superheroes“ denkt nur an das Eine – mit 400 einschlägigen Exponaten aus „Kunst, Design und Alltag“. Medienpartner: das bewährte Herrenmagazin „Playboy“.

Jungs in weiblichen Posen: die Fotoserie „the beauty & the boys“ von Martin de Crignis. Foto: bikö
Dass sein Abschiedsprojekt „stark polarisiert“, ist Bieber klar. Die ersten Hassbotschaften sind bereits vor der Eröffnung eingetroffen. Aber in einer Zeit „des konservativen Backlashs“ will er erst recht für Offenheit mit einem Thema werben, das „uns alle betrifft“. Seiner Ansicht braucht es „wieder mehr sexuelle Aufklärung“. Dass der Besuch von „Sex Now“ auf Drängen der Staatsanwaltschaft nur Personen über 18 Jahren erlaubt wird, ist nicht gerade im Sinn des Kurators. Sind wir etwa prüde geworden?
Fleischiger Brunnen
In der Tat war der Umgang mit Lust und Liebe in den aufsässigen Phasen des vorigen Jahrhunderts schon mal lockerer. Die Hippies und Kommunarden genossen die Befreiung von spießbürgerlichen Moralvorstellungen, besangen „love not war“ und kannten kein Gedöns mit politischer Korrektheit. Heutzutage spielt sich vieles im verdruckten Bereich der digitalen Stimulierung ab. Kontakte werden über Dating-Apps geregelt. Man scheut die zufällige Begegnung im wahren Leben.

Star-Feministin: Vor ihrem „Fleshy Fountain“ hockt die kanadische Musikerin und Künstlerin Peaches. Foto: bikö
Selbst vor 25 Jahren wäre eine solche Ausstellung noch weniger „shocking“ gewesen, meint die erfahrene kanadische Feministin, Sängerin und Performance-Künstlerin Peaches (58) und hockt sich munter für ein Foto vor ihren „Fleshy Fountain“, den fleischigen Brunnen. Aus Mündern und Vulven aus Silikon spritzt das Wasser und sieht dabei nicht unschuldig aus. Ein „Doppelmasturbator“ für Herren hat Mrs. Peaches zu diesem durchaus humorvollen Werk inspiriert.
Kuscheln erlaubt

Kuscheln erlaubt – in der „Fluffy Library“ von Antigoni Tsagkaropoulou. Foto: bikö
Ähnlich verspielt ist die „Fluffy Library“ von Antigoni Tsagkaropoulou, einer jungen Griechin, die sich als genderfluid betrachtet. Ihre Installation von riesigen bunten Plüschwesen und Kissen lädt zum Kuscheln ein – und zur Diskussion über „alternative Erzählungen“, denn, so eine Schriftprojektion: „Wir koexistieren mit radikaler Zärtlichkeit“. Und mit fast rührenden Sehnsüchten nach Geborgenheit, ganz offensichtlich.

„Killing me softly“: Klänge wie Flüstern und Rascheln sollen in der Rauminstallation von Andreas Ullrich und Tatjana Bikic lustvolle Vibrationen auslösen. Foto: bikö
Wer Antigonis fluffige Bibliothek benutzt, muss allerdings, wie im ordentlichen Kinderzimmer, seine Schuhe ausziehen. Das gilt auch für die Rauminstallation „Killing me softly“ von Andreas Ullrich und Tatjana Bikic. In einem Kabinett mit japanischen Tuschzeichnungen und Tantra-Liege sollen Stimmen und Klänge lustvolle Gefühle auslösen. Für den eher visuell orientierten Interessenten gibt es weiter hinten ein kleines rotplüschiges Kino, wo unter dem Motto „PorYes“ (statt Por-no, haha) „einvernehmliche und gendergerechte“ Sexfilme der Produzentinnen Paulita Pappel und Erika Lust gezeigt werden.
Subtilere Kunst

Subtiles aus der echten Kunstwelt: erotische Blumenbilder der amerikanischen Malerin Georgia O’Keeffe. Foto: bikö
Nun ja. Der Mensch im Museum sucht doch eher nach weniger intimen Erlebnissen. Manches möchte man ohnehin nicht so genau betrachten – wie „Die Welt der Genitalien“, die auf einer Fotowand von Caroline Barrueco überdeutlich wird. Ehe einem die Lust ganz vergeht, entdeckt man mit einer gewissen Erleichterung subtilere Kunst wie die zweideutigen Blumenbilder der amerikanischen Malerin Georgia O’Keeffe (1887-1986) oder ein aus BH-Trägern komponiertes, abstrakt wirkendes, befreiend gemeintes Relief der simbabwischen Künstlerin Kresiah Mukwazhi.

Hier hält das rote Licht, was es verspricht: Ein Kino mit feministisch einwandfreier Pornografie gehört zur Schau. Foto: bikö
Auf der anderen Seite der Eingangshalle wird, neben Vibratoren, Sado-Maso-Accessoires und Verkleidungen für das bizarre Sex-Erlebnis, über die Erotik der Zukunft nachgedacht. Die 3D-Künstlerin Miyö van Stenis schuf einen Liebessimulator im Metaverse, den man ausprobieren kann – falls man die Technik versteht. „The Future is orgasmic“, verspricht eine digitale Schönheit als „Sexoskop“. Ehrlich: Das wird alles mal sehr eigenartig enden. Darauf verweisen auch die Videos über „Futuresex“ des Chinesen Zheng Bo, der nackte Jungs mit Farnen und anderen Pflanzen schmusen lässt. Immerhin Safer Sex.

Safer Sex in der Zukunft: Der Chinese Zheng Bo empfiehlt in seinen Videos sinnliche Begegnungen mit Pflanzen. Foto: bikö
Was, wann und wo?
Als nicht jugendfrei eingestuft wurde die neue Ausstellung im NRW-Forum Düsseldorf, Ehrenhof 2. Nur Personen über 18 dürfen „Sex Now“ besuchen. Ausweiskontrolle am Eingang. Die Schau läuft acht Monate lang bis zum 3. Mai 2026. Geöffnet Di.-So. 11 bis 18 Uhr, Do. bis 21 Uhr. Eintritt: 9,50 Euro. Begleitend erscheint eine Sonderedition des „Playboy“-Magazins mit 116 Seiten: 10 Euro im Museumsshop. Als Begleitprogramm werden Führungen, Workshops und eine Talkreihe mit Sex-Experten angeboten: „im Bett mit …“. Informationen unter www.nrw-forum.de