Galerien in Düsseldorf: Die einfachen Dinge
Die Kunst ist immer ein Trost, wenn sich der Sommer langsam verabschiedet. Nicht nur die großen Museen, auch die privaten Galerien machen wieder ihre eigenen Ausstellungen. Eine Entdeckungstour lohnt sich nicht nur für Sammler mit dicken Brieftaschen, auch für Liebhaber*innen des Besonderen.
Galerie Ludorff: The Simple Things
Es ist die letzte Bastion der Kunst auf der markenverrückten Shoppingseite der Düsseldorfer Königsallee. Zwischen Louis Vuittons neuem Luxusladen und Chanels Baustelle finden Kenner ihren Weg in die höheren Etagen der Galerie Ludorff. Neben einer museumsreifen Sammlung klassischer Moderne, die Gründer Rainer M. Ludorff in fast fünf Jahrzehnten zusammengetragen hat, sind reizvolle Sonderausstellungen zu entdecken. Derzeit präsentiert Juniorchef und Managing Director Manuel Ludorff in der ersten Etage „The Simple Things – minimalism and more …“
Die einfachen Dinge können von becircender Schönheit sein. Das gilt auch für die Kunst. Da schwebt zum Beispiel ein azurblaues Rund auf strahlendem Neongelb, Ende der 1960er-Jahre von Rupprecht Geiger so geschaffen. Im gleichen Gelb färbte die junge Katharina Fritsch, heute weltberühmt, 1982 eine betende Gips-Madonna. Ludorff hat sich erlaubt, die Figur direkt vor dem Geiger-Bild zu platzieren. Auch eine Acryl-Skizze von Hans Hartung (1972) in derselben Ecke zeigt dieses unwiderstehliche Gelb. Und da sind noch mehr Kombinationen, die Freude machen: eine vergoldete Mack-Keramik vor eine Möbelecke mit Messingkanten aus dem Bundestag („Detail XII“), die von dem listigen Thomas Demand als Papiermodell nachgebaut und dann fotografiert wurde. Oder ein Riesennagel von Günther Uecker, einfach an die Wand gelehnt neben einem markanten schwarz-weißen Balkenbild von Max Frintrop („Queueing“), der sonst so gern in Farben schwelgt.
Wer sich traut, klingelt auch noch im dritten Stock, wo sich hinter einer schwarzen Tür die Sammlung der Galerie Ludorff verbirgt. Da gibt es nicht nur kostbare Museumsstücke wie den sonnendurchflirrten „Schulgang in Laren“, den der deutsche Star-Impressionist Max Liebermann 1898 malte, und eine winzige „Paysage“ des großen Träumers Max Ernst. Da hängen feinste Arbeiten auf Papier, die im bescheidenen Format die Meisterschaft der alten Avantgarde zeigen: drei „Ghosties“ von Feininger zum Beispiel, eins der späten Gesichter von Jawlensky, eine Frauenskizze von Paula Modersohn-Becker und eine Lilie des erst 1995 verstorbenen, zu Unrecht aus der Mode gekommenen Hamburger Meisterzeichners Horst Janssen. Eine Schatzkammer!
Galerie Beck & Eggeling: Modigliani und „Tabula Rasa“
Es sind nur acht Blätter. Skizzen auf zart vergilbtem Papier. Und doch eine Offenbarung für Freunde der klassischen Moderne. Der immer notleidende Maler Amedeo Modigliani (1884-1920) hatte sie seinem Freund und Förderer Paul Alexandre, einem Pariser Arzt, geschenkt oder verkauft. Der junge Doktor sammelte jeden Zettel, den Modiglianis Stift berührt hatte. Etwa 500 Zeichnungen fanden Erben später in Alexandres Besitz. Peu à peu gelangen sie nun an die Öffentlichkeit. Dank der Pariser Beziehungen der geschäftstüchtigen Kunsthistoriker Michael Beck und Ute Eggeling werden ein paar zauberhafte Figuren des viel zu früh verstorbenen Modigliani nun an der Bilker Straße ausgestellt.
Das kostbarste Stück ist ein Porträt, das Modigliani 1913 von seinem bärtigen Freund gemacht hat. Ganz typisch das lange Gesicht, ein blind schraffiertes Auge, man kennt das von berühmten Gemälden. Dass er die Schulter dunkel gezeichnet hatte, gefiel Modigliani im Nachhinein offenbar nicht. Er klebte die Stelle mit hellem Papier ab und machte die Zeichnung so zur Collage – im heutigen Wert von 1,2 Millionen Euro. Etwa die Hälfte, immer noch ein Vermögen, ist eine statuenhafte „Femme nue de face, les avant-bras levés“ wert (nackte Frau von vorne mit angehobenen Unterarmen). Gut fünfstellig: der Preis für eine Skizzenbuchseite mit einer kleinen Frauenbüste im Profil. Ein schemenhaft sichtbarer Unterkörper ist nur der Abdruck einer anderen Zeichnung. Was damals im Künstleralltag strapaziert und geknickt wurde, ist heute heiliges Papier.
Neben den bürgerlichen Salons in einem Stadtpalais an der Bilker Straße 5, wo Beck & Eggeling seit 1998 residieren, haben die beiden Kunsthistoriker seit 2006 gegenüber in einer ehemaligen Druckerei einen zweiten, loftartigen Ausstellungssaal. Dort feiern sie ihr 30-jähriges Bestehen (Beck gründete die Galerie im Herbst 1994 in Leipzig) mit Werken von vier Frauen, die man der Zero-Bewegung zuordnen kann. Zero? Ist das nicht Männersache? Mack, Piene, Uecker? Gewiss. Aber: Auch Frauen der Generation überwanden die herkömmliche Malerei, wünschten sich, so der Titel der Schau, „Tabula Rasa“. Hal Busse (1926-2018) machte Uecker schon Ende der 1950er-Jahre spitze Konkurrenz mit Reliefs aus zierlichen Nägeln und Stecknadeln. Die Italienerinnen Nada Vigo (1936-2020) und Dadamaino (1930-2004) arbeiteten wie Mack mit Glas, Stahl und Licht. Die Japanerin Yayoi Kusama (heute 95) wurde kultberühmt mit ihren bunten Punkten, schuf aber ebenso subtile Collagen. Man will mehr von diesen Ladies sehen.
Galerie Bengelsträter: Susanne Ristow
Jutta Bengelsträter hat die Hemmschwelle abgeschafft. Vor vier Jahren zog sie mit ihrer Galerie von der Cecilienallee in ein offenes Ladenlokal mitten im quirligen Leben von Flingern, wo gegenüber Eis gegessen wird. Schon durchs Schaufenster kann man die Kunst sehen. Nach den gut gelaunten Bildern der Berlinerin Anna Lena Straube präsentiert die Galeristin ab Ende der Woche eine überaus originelle Werkserie der Düsseldorfer Malerin und Kulturdenkerin Susanne Ristow. „Are you a boy?“ fragen die farbglühenden Frauenfiguren, für die der heute 20-jährige Sohn der Künstlerin konsequent Modell stand.
Schon lange hatte Ristow die Idee, berühmte weibliche Posen von einem Mann nachstellen zu lassen, um sie deutlicher zu sehen und zu verstehen. Glück für sie, dass ihr Sohn Konrad „zwischen Schule und Studium“ ein bisschen Zeit hatte – und Lust auf ein gemeinsames Projekt mit seiner Mutter. Tatsächlich suchte er mit Vergnügen einige Vorbilder aus. Wie zum Beispiel Popstar „Madonna“, die auf einem Foto provokant die Fäuste nach oben reckt. Eine Haltung, die auf bizarre Weise ohnehin männlich wirkt. Das kann man von Audrey Hepburn in „Frühstück bei Tiffany“ nicht behaupten. Konrad hat offenbar einen Kochlöffel als Zigarettenspitze benutzt, aber er ist dabei die weibliche Anmut in Person.
Und er hat das schillernde Spiel gerne weitergetrieben und sich in Figuren aus der Kunstgeschichte versetzt. Steht so dünn da als „Venus im Pelz“ – ohne Ähnlichkeit mit der barocken Blondine von Rubens. Erscheint sehr androgyn mit roten Konturen auf Türkis in der Bauchlage von François Bouchers „Ruhendem Mädchen“ mit dem knackigen Hintern. Treibt in einem Gartenteich als expressive „Ophelia“, frei nach dem Prä-Raffaeliten Millais. Sitzt mit nachdenklicher Miene als nackte „Frühstückerin“ auf einem von Manets „Frühstück im Grünen“ inspirierten Bild. Die Moral von der Geschicht’ wird zur Nebensache. Denn die Bilder sind eine Wucht.
Was, wann und wo?
Galerie Ludorff: „The Simple Things. Minimalism and more …“ bis 26. Oktober. „Neuerwerbungen Herbst 2024“ bis 25. Januar 2025. Königsallee 22. Geöffnet Mo.-Fr. 10 bis 18 Uhr, Sa. 11 bis 14 Uhr. www.ludorff.com
Galerie Beck & Eggeling: „Tabula Rasa. Die Erneuerung der Malerei“, bis 16. November. „Amedeo Modigliani: Zeichnungen aus der Sammlung Dr. Paul Alexandre“ bis 12. Oktober. Bilker Str. 4-6. Geöffnet Di.-Fr. 10 bis 13 und 14 bis 18.30 Uhr, Sa. 11 bis 16 Uhr. www.beck-eggeling.de
Galerie Bengelsträter: „Are you a boy? Bilder von Susanne Ristow“. Eröffnung am Samstag, 21. September, 17 bis 21 Uhr. Am 4. Oktober, 18 Uhr, gibt es ein Werkgespräch zwischen der Düsseldorfer Künstlerin und dem Kunsthistoriker Wolfgang Ulrich. Hermannstr. 23. Geöffnet Di.-Fr. 12 bis 18 Uhr, Sa. 12 bis 16 Uhr. www.bengelstraeter.com