Düsseldorf Kaufhof am Wehrhahn schließt: Tränen und Wut bei 200 Beschäftigten – Düsseldorfs neuer OB Stephan Keller wünscht kühl „Viel Glück“
Mit einer Mischung aus Wut, Ohnmacht und unendlich großer Trauer haben sich rund 200 Beschäftigte am Samstag (17.10.) von ihrem Kaufhof verabschiedet. Die Filiale am Wehrhahn öffnete zum letzten Mal. Jacques Tilly rollte ein Pappmaché-Double des Kaufhausbesitzer René Benko vor das Haus. Mit übergroßen Boxhandschuhen ließen die entlassenen Beschäftigten ihren Zorn an dem Hohlkopf aus. Dass die oftmals langjährigen MitarbeiterInnen bislang keine Anschlussverträge bekommen haben, schiebt der Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Grabowski dem Machtwechsel in Düsseldorf zu: „Während Thomas Geisel für uns kämpfte, hat Stephan Keller der Belegschaft kühl `Viel Glück‘ gewünscht.“ Neue Zeiten an Düsseldorfs Stadtspitze; eigentlich war es anders zugesagt.
Habibe Sholuri (r.) und Ergün Altekai wollen sich nicht kampflos verabschieden. Gemeinsam haben sie als Auszubildende vor 30 Jahren bei Kaufhof am Wehrhahn begonnen.
„Wir werden nach 30 Jahren wie Möbel auf die Straße gestellt“, sagte Habibe Sholuri. Sie hat im Alter von 15 eine Lehre bei Kaufhof am Wehrhahn begonnen und arbeitete in der Parfümabteilung. „Schon beim letzten Weihnachtsgeschäft war uns klar: Wir werden systematisch heruntergefahren.“ Oft fehlte der Nachschub. Kundenwünsche konnten nicht mehr erfüllt werden. Tröstend nimmt Ergül Altekai die Kollegin in den Arm. Sie war mit einem Team von 15 KollegInnen für die Logistik im Haus zuständig. „Wäre ich im letzten Jahr gegangen, hätte es vielleicht noch eine Abfindung gegeben.“ Nun gibt es gar nichts.
Fäuste frei: Die Tilly-Version des Kaufhaus-Millionärs René Benko hielt nur wenige Sekunden stand.
Und wer sich bei Karstadt, gleich gegenüber bewirbt, fängt an, als wäre man wieder 15. „Da wird nichts angerechnet, sondern es werden völlig neue Verträge gemacht.“ Wenn überhaupt. Im Jobcenter haben viele der Kolleginnen jenseits der 50 gehört, dass die Aussichten sehr schlecht seien, eine neue Stelle zu finden. Einige heben sarkastisch ihr Glas Rotkäppchen-Sekt: „Dann treffen wir uns demnächst auf der Parkbank.“
Jacques Tilly unterstützte die Kaufhof-Beschäftigten an ihrem letzten Tag.
„Die Beschäftigten werden nun wegen des Missmanagements der bisherigen Geschäftsführung ihrer Existenzgrundlage beraubt. Viele Kolleginnen und Kollegen haben alles getan, um die Häuser zu erhalten und stehen nun vor den Scherben von bis zu 45 Jahren Betriebszugehörigkeit“, sagt ver.di-Gewerkschaftssekretärin Miriam Jürgens. In Düsseldorf habe man das Karstadt-Haus am Wehrhahn von der Schließungsliste des Millionärs Benko bekommen können. Doch ohne eine ordentliche Perspektive bedeute das nur einen Aufschub von wenigen Jahren, befürchten viele.
Niemals geht man so ganz: Der Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Grabowski tröstete zum Abschied.
Die Prügel gab es für Tillys rotäugigen Benko, der wie ein Alien aus dem Dach der Kaufhof-Filiale platzt. Mit dem traurigen Ende der Filiale sei Kampf nicht beendet. Sondern er gehe weiter.
Und Tschüss!
Nach Informationen von ver.di schließt Galeria Karstadt Kaufhof bundesweit 41 Filialen, davon 35 zum 31. Oktober 2020 und sechs zum 31. Januar 2021. 2500 Beschäftigte verlieren ihren Arbeitsplatz, so ver.di. Von ihnen wechseln 1.800 in die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften. Deren Laufzeit sei teilweise nur auf sechs Monate angelegt. Bei Karstadt-Feinkost verlieren weitere 250 Menschen ihren Job. Bei Karstadt-Sports werden 15 von 31 Filialen im Laufe des Oktobers geschlossen und rund 500 Beschäftigten gekündigt.