Düsseldorf: Großer Bahnhof für den lieben Gott
Der moderne Mensch ist mobil. Eine „Freie Fahrt“ kann dabei jeder gebrauchen. An diesem besonderen Montag (24.12.) in der Düsseldorfer Bahnhofshalle bedeutet „Freie Fahrt“ jedoch das genaue Gegenteil vom Wortsinn: ein Innehalten, ein Zuhören, ein Nachdenken. Der ökumenische Gottesdienst unter der blau-weißen Fahrplananzeige geht dahin, wo alle immer in Eile sind und manche verloren zu sein scheinen. Um im Bahndeutsch zu bleiben: das Leben in umgekehrter Wagenreihung und mit einer gewissen Verspätung für himmlische Gerechtigkeit – aus vorheriger Fahrt.
Musiker des Fanfarencorps Oberbilk spielten Weihnachtslieder.
Die Trompeten und Hörner des Fanfarencorps Oberbilk posaunen es laut heraus: Heute ist Heilig Abend. Nach und nach kommen die Stammgäste dieses ganz besonderen Gottesdienstes mitten im Trubel des Unterwegs-Seins. Viele halten aber auch einfach an; aus vollem Lauf, gewissermaßen, und lassen sich von den Helferinnen und Helfern der Bahnhofsmission das Blatt zum Gottesdienst geben. Dem herzlichen Lachen der Bahnhofsmissions-Leiterin Barbara Kempnich kann man sich nur schwer entziehen.
Barbara Kempnich von der Düsseldorfer Bahnhofsmission.
Auf den Podest vor dem mit kühl-blau schimmernden LEDs erleuchteten Weihnachtsbaum trifft Erfahrung auf einen Novizen: Pastoralreferentin Irmgard Poestges hat den großen Bahnhof für den lieben Gott schon vor Jahren zu ihrer Weihnachtsstation gemacht. Düsseldorfs neuer, oberster Protestant Heinrich Fucks steht zum ersten Mal im Durchzug und singt und betet und setzt die Weihnachtsgeschichte aufs Gleis –Lukas-Evangelium, Kapitel 2, Verse 1 bis 7: „…da machten sich alle auf, um sich in die Steuerlisten eintragen zu lassen – jeder in seine Heimatstadt…“.
Irmgard Poestges und Heinrich Fucks setzten die Weihnachtsgeschichte gemeinsam aufs Gleis – beim ökumenischen Gottesdienst.
Unter denen, die da stehen bleiben, sind auch viele, die nur zu gerne ausgegrenzt werden, in diesen Tagen. Sie hören, wie ein junges Paar in Bethlehem abgewiesen wird – und haben sofort eine Verbindung zur Gegenwart. Dann singen alle zusammen „Oh, Du fröhliche…“ Und wenn man diesem reichen Land mit den vielen versteinerten Herzen und verwirrten Hirnen eines wünschen soll – dann das: Möge die Botschaft der Mitmenschlichkeit länger halten als bis zur Weihnachtsmesse um Mitternacht. Und möge sich der Gedanke durchsetzen, dass Nächstenliebe eine Menge ganz praktische Seiten hat – nach wie vor.
In der Düsseldorfer Bahnhofsmission gab es übrigens Essen und Geschenke für all jene, die ohne solchen Einsatz nicht wüssten, wie sie über die Runden kommen sollten.
Nach dem Gottesdienst gab es für alle Teilnehmer noch einen Händedruck.