Kunst wie Feuer und Wasser: die Düsseldorfer Sammlung Kemp

Der Big Spender wollte nicht, dass seine Schätze im Magazin verschwinden, weil der Zeitgeist seine Launen hat. Willi Kemp (1927-2020), Düsseldorfer Steuerberater und leidenschaftlicher Sammler vorwiegend abstrakter Kunst, schenkte und vererbte dem Kunstpalast rund 3000 Werke, gründete aber zugleich eine Stiftung zur Erforschung und Vermittlung der Bestände. Regelmäßig zeigt und untersucht das städtische Haus beispielhafte Stücke aus der Sammlung Kemp. Eine feine kleine Ausstellung im zweiten Stock feiert bis zum Frühjahr „Das fünfte Element“.

Mit dem Element Erde arbeiteten Christo (links, “Krater”, 1959) und Otto Piene (“Asche und Diamant”, 1994). Rechts im Bild: ein Bronzekopf von Hede Bühl (1985). Foto: bikö
„Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält“: Was Goethes Faust in gern zitierte Worte fasste, trieb besonders jene Künstler um, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg vom Gegenstand gelöst hatten. Sie suchten nach einer neuen Geistigkeit jenseits der Darstellung von Realität, die sie in der eigenen Jugend als verheerend erleben mussten. Dabei blieben sie den Kräften der Natur und des Universums tief verbunden. Wie Kuratorin Therés Lubinetzki offenbart, lassen sich viele Werke den vier Elementen zuordnen: Erde, Feuer, Luft, Wasser.
Garten aus Stein

Feuriges aus der Sammlung Kemp: Das große Bild in der Mitte ist der “Rote Herbst” von Otto Piene (1975). Foto: bikö
Ehe Christo ab den 1960er-Jahren mit spektakulären Verhüllungsaktionen von sich reden machte, experimentierte er mit Malerei. Und benutzte nicht nur Farben, sondern auch Leim, Sand und Harz. Materialien der Erde. Ein schrundiges Bild, eher ein Relief, aus Christos Serie „Krater“ entstand 1959 und passt in seiner Urgewalt sehr gut zu Otto Pienes „Asche und Diamant“ von 1994. So etwas wie ein schwarzer Planet schwebt da in einem Kosmos aus Öl, Feuer und Rauch. Gegenüber wachsen spitze Steine aus einer Holzplatte. Günther Uecker pflanzte diesen „Garten“ 1993 mit dem Hammer, wie seine berühmten Nagelbilder.

“Die Moose von Kaiserswerth” (1957) und der “Silberherbst” (1972/79) inspirierten Gerhard Hoehme zu den Bildern an der Wand. Davor: “Der Wächter der Nemesis” von Horst Egon Kalinowski (1965). Foto: bikö
Immer wieder entdeckten Künstler die abstrakte Form in der Natur. „Die Moose von Kaiserswerth“ dienten Gerhard Hoehme 1957 als Inspiration für eine mit Pinsel und Spachtel komponierte grüne Struktur. Daneben hängt sein hellbraun gestrichelter „Silberherbst“ aus den 1970er-Jahren. Im nächsten Raum lodert das feurige Element. Erneut ist Piene dabei, dessen „Roter Herbst“ 1975 mit Ölfarbe und Flammenwerfer geschaffen wurde. Stiller glüht ein Kissenbild von Gotthard Graubner aus den frühen 1980er-Jahren.
Kleines Segel

Der Luft geweiht: “Kleines Segel” nach einem Konzept von Hans Haacke (links, 1964) neben einem “Woilkengitter” von Heinz Mack (1960) Foto: bikö
Und dann wird es luftig. Die „Freie Bewegung“ von Raimund Girke (1993) gleicht den Wolken, einem Himmelsphänomen, das auch Heinz Mack 1960 mit seinem „Wolkengitter“ beschwor. Gleich daneben flattert über einer Windmaschine ein veritables „Kleines Segel“ nach einem 1964 entstandenen Entwurf von Hans Haacke. Schwerelos, während das Wasser in die Tiefe ziehen kann. Schwarze Fluten auf HAP Grieshabers Holzschnitten über den „Rhein“ (1965) erzählen von der Naturgewalt des Stroms. Hann Trier ertränkte 1963 das „Schwimmen“ in ungestümen blauen Farbwellen.

Durchblick: ein Kissenbild von Gotthard Graubner (links, 1983) und die “Freie Bewegung” von Raimund Girke (1993). Foto: bikö
In der letzten Abteilung geht es um das fünfte Element: ein philosophischer Aspekt. Etwas Überirdisches, nicht an die Materie Gebundenes könnte gemeint sein. Zero-Künstler Heinz Mack sucht schon ein Leben lang danach mit seinen Lichtstelen. Adolf Luther veränderte den Raum mit Spiegelrastern. Die Schau verweist allerdings auch auf die „Welt der Maschinen“, die Verborgenes sichtbar machen und durch Technik der Natur trotzen. Zu einem dominanten Wesen wurde eine wuchtige Schreibmaschine auf einem 1965 entstandenen Bild von Konrad Klapheck: „Die Ideale der Väter“. Um ehrlich zu sein: Die Sache mit dem fünften Element ist eher ein verwirrendes Element in dieser Schau. Aber das kann man aushalten und beim Anblick der Kunst zur Ruhe kommen.
Was, wann und wo?
„Das fünfte Element – Werke aus der Sammlung Kemp“: bis 22. März 2026 im zweiten Stock des Kunstpalastes Düsseldorf, Ehrenhof 4-5. Geöffnet Di.-So. von 11 bis 18 Uhr. Do. bis 21 Uhr. In einem angeschlossenen „Kraftlabor“ kann experimentiert werden. Tickets: 16 Euro (für das ganze Haus). Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren haben freien Eintritt. Es ist ein sehr schöner Katalog zur Ausstellung erhältlich: 120 Seiten, 29,80 Euro. www.kunstpalast.de