Kunstpunkte Düsseldorf: Entdeckungen in Unterbilk

Sportliche Kulturfans versuchen ja immer wieder, möglichst viele Düsseldorfer Kunstpunkte abzuarbeiten. 383 Kreative, etwas weniger als beim letzten Mal, sind in diesem Jahr dabei. 201 Ateliers und andere Locations werden im Laufe von zwei Wochenenden, erst im Süden, dann im Norden der Stadt, für das Publikum geöffnet. Ein gewaltiges Programm, in dem man sich leicht verirren kann. Da konzentrieren wir uns lieber mal auf eine Auswahl. Zum Beispiel in Unterbilk, wo die Malerin Beatrice Richter am Sonntag eine Gruppe durch vier kleine Reiche der Kunst geführt hat.

Schwerelos: Die estländische Künstlerin Aleks Polonskaja macht Bildobjekte aus durchsichtigen Stoffen. Foto: bikö
Treffpunkt ist an einem Garagentor an der Florastraße, das von außen so gar nicht nach Kunst aussieht. Aber dahinter verbirgt sich das stille Atelier von Aleks Polonskaja, die 1984 im estländischen Tallin geboren wurde und an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert hat. Eine mädchenhafte blonde Schönheit, die mit Tüll und Organza arbeitet und dabei ein strenges Formkonzept verfolgt. Nach Werkserien mit Frottagen und genähten Papieren suchte sie nach transparenteren Materialien und experimentierte mit farbigem Tüll. Übereinander gelegte Bahnen des durchsichtigen Stoffs wirken wie abstrakte Malerei aus schwerelos zarten Schichten, sind jedoch plastisch wie Collagen oder Reliefs.
Tiefes Gefühl
Ganz anders die Malerei der Moskauerin Alexandra Sakir, zu Gast bei Kollegin Polonskaja. Inspiriert von afrikanischer Volkskunst und asiatischen Tuschzeichnungen malt die junge Russin leidenschaftliche expressive Schwünge, in denen man Masken oder Gesichter erkennen könnte. Schwingungen von Gelb, Grau und Schwarz. Aus tiefstem Gefühl kommt das, im Gegensatz zu den kleinen konstruktiven Reihungen auf Rechenpapier, die Andrei Dureika aus Belarus der kleinen Ausstellung beifügt.

Jeder raue Raum kann zur Galerie werden: Alexandra Sakir zeigt impulsive Tuschmalereien bei den Kunstpunkten. Foto: bikö
Ein Spaziergang über die Kirchfeldstraße und das Friedensplätzchen führt zum nächsten Kunstpunkt: Johanna Hansens lichtem, eleganten Atelier an der Düsselstraße. Auch einen Salon in leuchtendem Blau gibt es dort. Wie aus der Zeit gefallen ist dieser Ort, eine Zuflucht vor den Gemeinheiten der Gegenwart. Johanna Hansen, geboren am Niederrhein, ist zugleich Malerin und Lyrikerin. Die Poesie schwebt bei ihr so träumerisch frei wie die Wesen und Gewächse auf ihren Bildern. Feurig rot, sehnsüchtig blau, tiefgründig violett, ohne feste Konturen. Manchmal können auch ein paar Worte als Zeichnung neben einer durchsichtigen Gestalt erscheinen: „Am seidenen Faden unseres Glücks fliegt eine Amsel …“.

Atelierluft schnuppern: Besucherinnen freuen sich an den Arbeiten von Johanna Hansen. Foto: bikö
Schwere Düfte
„Ich bin geflasht“, bemerkt eine junge Besucherin. Doch es geht schnell weiter. Vorbei an der Bilker Kirche, ein gutes Stück die Gladbacher Straße entlang. Im Haus Nummer 68 haben sich Julia Strankmann und Torben Grimm mit ihrer Kunst in einem ehemaligen Tante-Emma-Laden eingerichtet. Sie suchen ihre Inspirationen auf Reisen. Sie sammelt Fotografien, macht auch selber Aufnahmen und bearbeitet beides malerisch. Das Ergebnis wirkt manchmal fast romantisch wie der Dschungel von Borneo, aber meistens skurril wie eine Riege von dicken Männern ohne Hemd oder ein rosa Charakter-Schafskopf vor Türkis.

Zwei auf einem Kunst-Weg: Julia Strankmann & Torben Grimm residieren in einem Ladenlokal in Unterbilk. Foto: bikö
Süßlich-schwere Düfte ziehen durch den Laden. Torben Grimm experimentiert im Hinterhof mit Räucherwerk, das er in kuriosen Gefäßen abbrennt. Er ist Keramiker und macht neben reizvollen Kaffeebechern viele freie Dinge: kleine Skulpturen und internationale Projekte. Als Kunst-Guerillero der besonderen Art hat er bereits unzählige kleine runde, von Hand bemalte Fliesen in Betonlöcher geklebt, von Florida bis Singapur und auch in Düsseldorf.
Altes Flair

Geheimtipp: Kunst-Guide Beatrice Richter (auf der Treppe) führt eine Gruppe in ein altes Atelierhaus an der Gladbacher Straße. Foto: bikö
Schräg gegenüber hatten die jungen Zero-Künstler Mack, Piene, Uecker ihre ersten Ateliers. Seit fünf Jahrzehnten fühlt sich die Malerin Sigrid Redhardt hier zu Hause, hat mit Kollegen viel saniert und umgebaut. Doch die Zeit der Bohème ist vorbei. Bald soll das lauschige Hinterhaus mit halsbrecherischer Stahlstiege abgerissen und in Lofts umgewandelt werden. Noch einmal öffnet Redhardt ihr Atelier, zeigt zarte Strandszenen und zwei leidenschaftliche abstrakte Großformate, erzählt viel. Will aber keine Fotos von sich und ihrem Werk veröffentlichen lassen.
Ihre Kollegin Anne-Katrin Puchner nebenan ist da aufgeschlossener. Die gebürtige Regensburgerin, die vor ihrem Akademie-Studium eine Tanzausbildung gemacht hat, macht große Rauminstallationen, sogar Bühnenbilder. Für die Schau hat sie kleinere Formate gewählt: Skulpturen aus gebrochenen, lackierten Kokosnuss-Schalen und sehr feine Holzschnitte, auf denen sie rosa Blüten, einen rotes Teppichmuster und einen „Lichtkörper“ abstrahiert. Schön, dass es solche Kunstpunkte gibt!

Klein und fein: die Holzschnitte der Malerin und Bildhauerin Anne-Katrin Puchner. Foto: bikö
Was, wann und wo?
Mehr Kunstpunkte sind am kommenden Wochenende, den 20./21. September, in den nördlichen Bereichen von Düsseldorf zu entdecken. 105 Häuser öffnen die Tür für das Publikum, dabei ist auch das große alte Atelierhaus an der Sittarder Straße 5, wo allein 20 Künstler*innen die Besucher begrüßen. Die Ateliers sind am Samstag von 14 bis 20 Uhr und am Sonntag von 12 bis 18 Uhr geöffnet. Offräume haben schon freitags ab 19 Uhr geöffnet. Führungen durch ausgewählte Ateliers werden angeboten. Kostenlos nach Anmeldung. Genaue Informationen auf dem Faltblatt und unter www.kunstpunkte.de