Staub zu Staub: Ulrike Arnolds Erdbilder in der Düsseldorfer Johanneskirche

Am Anfang war die Erde. Sie schenkte den frühen Menschen die ersten Farben. Als die blutjunge Ulrike Arnold 1971 die Höhlenmalereien von Lascaux sah, war sie zutiefst ergriffen. Als Akademiestudentin in den 1980er-Jahren fing sie selbst an, in Südfrankreich gemahlenen Stein und Staub zu sammeln und daraus ein Pigment zu mischen. Seither malt die Düsseldorferin mit dem Material der Natur. In den Felsgebirgen und Wüsten der Welt. Ihr atemberaubendes Werk hat jetzt einen angemessenen Platz in der Johanneskirche am Martin-Luther-Platz gefunden: „Himmel und Erde“ heißt die wunderbare Schau.

Auch eine Art Gottesdienst: Das runde Bild schuf Ulrike Arnold 2014 in Chile. Im Altarraum der Johanneskirche hängen zwei sieben Meter lange Bilder aus Arizona. Foto: bikö
Halleluja! Im Pfingstgottesdienst feierte die Stadtgemeinde die einzigartige Kunst von Ulrike Arnold. „Wie Gebetsfahnen“, so Landespfarrerin Petra Schulze, hängen sechs Großformate hinter dem Altar und an den Seiten – jeweils sieben Meter lang, dramatisch schön und abstrakt gezeichnet wie die Landschaften von Arizona, Utah und Mexico, wo sie entstanden. In der Mitte, zwischen den Bänken, ruht ein rundes schrundiges Gemälde, das 2014 nach einem Erdbeben in den Salzbergen von Atacama, Chile, geschaffen wurde. Die Struktur erinnert an den Ort selbst. Ulrike Arnolds Bilder stellen die Erde nicht dar, sie sind ein Teil davon. Auf Leinwand gebannt.

Blick von oben: Die großformatigen Bilder von Ulrike Arnold entfalten ihre Wirkung im sakralen Raum. Foto: bikö
Herzöffner
Einige Fotografien ihres amerikanischen Partners Victor van Keuren zeigen, wie die Künstlerin arbeitet: mit den Knien am Boden, mit den Händen im Dreck. Nein, nicht im Dreck, in den herrlichsten Farben der Erde: rot und gelb und golden, grau und grün. Da hämmert und schabt sie, sammelt Sand, Asche und Gestein in Stoffsäcken, zerbröselt alles, mischt ein Bindemittel dazu und bemalt ihre liegenden Leinwände gleich an Ort und Stelle, der Eingebung folgend. Das Wetter malt mit, es gibt Stürme und Wolkenbrüche, manchmal hinterlassen krabbelnde Tiere ihre Spuren. „Aus dem Gefühl des Moments“, so Pfarrerin Schulze, wachsen die Werke, die dann eingerollt und nach Hause gebracht werden: „Es sind Herzöffner.“

Knochenarbeit: Fotografien des amerikanischen Fotokünstlers Victor van Keuren zeigen, wie Ulrike Arnold mit der Erde malt. Foto: bikö
Auf jeden Fall strahlen sie eine Ruhe und Kraft aus, die sonst nur die Natur selbst vermittelt. Ulrike Arnold findet ihre „magischen Orte“ mit der Landkarte und ganz intuitiv. Oft ist sie mutterseelenallein bei ihren kräftezehrenden Aktionen. Sie übernachtet in Zelten oder Hütten. Bei einer ersten der Expeditionen in die Einsamkeit, erinnert sich die Künstlerin, hatte sie sich per Anhalter und mit dem Jeep eines Rangers weit in die australische Wüste gewagt. Um die Angst zu überwinden, tanzte sie nachts um ihr Lagerfeuer und sang für sich unter dem Sternenhimmel. Da fühlte sich die Fremde „wie ein Stück Heimat“ an.
Sternenstaub
Tief vertraut mit der Erde fand die Künstlerin vor etwa 20 Jahren ihre kreative Verbindung zum Rest des Universums. Durch Zufall oder Fügung lernte sie einen Forscher des Southwest Meteorit Laboratory kennen, der in vier Kontinenten Meteoritenproben einsammelt und ihr die Sägereste anbot: Sternenstaub, wenn man so will. Vornehmlich handelt es sich um kristallisierte Eisenspäne, die Ulrike Arnold für ihre „Meteorite Paintings“ benutzt. Diese Werke wirken dunkler, kleiner, zeichenhafter als die Erdbilder. Sie entstehen im Schutz des Ateliers und tragen doch die geballte Energie und unermessliche Weite der Schöpfung in sich.

In kleinen Stoffsäcken sammelt Ulrike Arnold farbigen Sand und zerbröseltes Gestein für ihre Bilder: Installation auf den Altarstufen der Johanneskirche. Foto: bikö
„Soli deo gloria“, Gott allein sei die Ehre, war der Leitspruch von Johann Sebastian Bach, mit der Abkürzung s.d.g. signierte er seine Kompositionen. Auch auf der Rückseite jüngerer Werke von Ulrike Arnold erscheinen diese Buchstaben. Ihr Vater, Pastor einer Freikirche, hatte die Tochter schon vor über 40 Jahren aufgefordert, ihre ersten Erdbilder so zu kennzeichnen. Damals wollte sie nur frei und unabhängig von frommer Beeinflussung sein. Erst als reife Künstlerin, geprägt von Erfahrung und Demut, konnte sie den Gedanken zulassen: soli deo gloria.

Mit Meteoritenstaub zeichnete Ulrike Arnold das Bild links. Rechts hängt von der Decke herab ein Erdbild aus New Mexico. Foto: bikö
Was, wann und wo?
„Ulrike Arnold: Himmel und Erde“: bis 18. Juli in der Johanneskirche am Martin-Luther-Platz 39. Geöffnet Di.-Sa. 12 bis 18 Uhr und im Rahmen der Gottesdienste. Eintritt frei. Am Sonntag, 6. Juli, 18 Uhr, leitet KMD Wolfgang Abendroth ein Konzert des Düsseldorfer Kammerchors zum Thema „Himmel und Erde“. Eintritt: 18 Euro. www.ulrikearnold.com