Galerien in Düsseldorf: Die Kunst des Schmückens

Der Sommer neigt sich dem Ende zu, die Kultur lockt wieder in die Innenräume. Und während die Biertouristen rund um den Schlossturm weiter nach dem Kick suchen, feiern die Galerien in den stilleren Straßen der Düsseldorfer Altstadt die subtile Kreativität. Bei Beck & Eggeling sind feinste Papierarbeiten von Gotthard Graubner zu entdecken, und die Goldschmiedin Dorothea Förster zeigt, dass Schmuckstücke über sich hinaus wachsen können. Die Spezialistin für Fotokunst, Clara Maria Sels, präsentiert die unverwechselbaren „Abgewandten Porträts“ von Corina Gertz.
Beck & Eggeling
Förster und Graubner
Dorothea Förster, geboren 1954, ist bekannt für aparte, streng konstruierte Anhänger aus Gold und Silber. Wie eine plastische Zeichnung wirkt eine Förster-Kette auf dem weißen Shirt von Galeristin Ute Eggeling: zwei ohrenhafte Ösen an einem Rechteck, flach geklopft. „Nur keine Hofjuwelen“ war schon immer die Devise der eigenwilligen Schöpferin. Auch aus Blechdosen hat Dorothea Förster schon markanten Schmuck gemacht. Ein scharfkantig nach oben weisender Ring aus goldenen Kreisen an ihrer linken Hand verschafft sich Respekt. Aber einer Frau wie ihr fallen noch ganz andere Dinge ein. Sie liebt es, Papiere und Abbildungen zu sammeln, schnibbelt und klebt daraus kuriose, vorwiegend heitere Collagen wie die Serie „Zitronenmann“.

Verwandlung: Aus Entwürfen für Anhänger hat die Goldschmiedin und Allround-Künstlerin Dorothea Förster (rechts im Bild, neben Galeristin Ute Eggeling) markante Wandobjekte gemacht. Foto: bikö
Auch Schmuck kombiniert die in Hanau lebende Goldschmiedin gern mit Fotografien: Eine Reihe verhüllter Büsten, aufgenommen an der römischen Villa Borghese, tragen jetzt mal ihre Anhänger. Dorothea Förster lässt der Eingebung freien Lauf. Und wie von selbst, beim Zeichnen und Schneiden von Schmuckentwürfen, kam ihr die Idee, raumgestaltend zu arbeiten. Nach großen Skizzen entstanden Objekte aus pulverbeschichtetem Aluminium. Lauter Kreise und Rechtecke. Verspielt und doch streng. Wie prägnante Zeichen hängen sie nun an der Wand – mit etwas Abstand fixiert, damit sie raffinierte Schatten werfen.

Blick durchs Fenster im Hof der Galerie Beck & Eggeling: Bücher, Collagen, Fotografien gehören zur Ausstellung von Dorothea Förster. Foto: bikö
Wolkengleich
Neben dieser originellen Schau gibt es bei Michael Beck und Ute Eggeling wie immer moderne Klassiker der abgesegneten Art. Gotthard Graubner (1930-2013), langjähriger Professor an der Kunstakademie Düsseldorf, kann dazu gezählt werden. Er wurde berühmt mit seinen monumentalen Kissenbildern, aufgepolsterten „Farbraumkörpern“ mit meditativer Wirkung. Ein Mini- Exemplar davon, keine 30 Zentimeter im Quadrat, dunkelrot, hängt im Salon der Galerie (zum stattlichen Preis von 96.000 Euro).

Schwerelos: Im Büro der Galerie Beck & Eggeling lehnen einige Arbeiten auf Papier des 2013 verstorbenen Malers Gotthard Graubner (oben auf einem Jugendbild). Foto: bikö
Ein Aquarell von 1987 zeigt Graubners freies Spiel mit den Farbnebeln, violett und gelb. Die anderen Arbeiten, Gouachen und Grafiken auf Papier, entstanden im Laufe vieler Jahre, wirken wie Gedanken an die großen Werke. Wolkengleich schweben sie in ihren Rahmen, manche blass, manche mit Tupfen von Farbe. Ein Blatt von 1964 gleicht einer rosigen Pusteblume, auf einer Radierung von 1991 glüht es orange wie ein Sonnenuntergang.
Clara Maria Sels
Corina Gertz
Auf den ersten Blick erkennt man die Bilder von Corina Gertz: Frauen in Trachten oder anderer traditioneller Kleidung stehen still vor pechschwarzem Hintergrund. Sie drehen dem Betrachter den Rücken zu, kein Gesicht ist jemals zu sehen. Mit ihren „Abgewandten Porträts“, die ebenso gestochen scharf sind wie geheimnisvoll, hat sich die Düsseldorfer Fotokünstlerin Corina Gertz international profiliert – bis hin nach Indien und China. Seit 15 Jahren verfolgt sie ihr Konzept, unbeirrbar. Sie hat dafür 27 Länder der Welt bereist und wird nach eigenem Bekunden „nie fertig“.

Düsseldorfer Expertin für Fotokunst: die Galeristin Clara Maria Sels an ihrem Schreibtisch zwischen Bildern von Corina Gertz. Foto: bikö
Nein, sie habe keine Lust auf eine neue, andere Perspektive. Das betont sie geduldig in der Galerie von Clara Maria Sel. Was sie schafft, sind eben keine Porträts von Personen: „Ich will keine Wertung, keine Hinweise.“ Nur bis zur Hüfte werden die Frauen abgebildet. Auch interpretierbare Umgebungen gibt es nicht. Ein schwarzer Stoff, den die Fotografin immer mit sich führt, verdeckt alles: Hütten, Säle, malerische Gassen, große Natur.
Nicht umdrehen!
Es geht ihr nur um die Gewänder, „Echoes of the Unseen“, so der Titel der Ausstellung. Echos des (oder der) Ungesehenen sind die kunstvoll genähten, oft über Generationen vererbten Kleidungsstücke und Accessoires, die meistens zu festlichen Gelegenheiten getragen werden und die man fasziniert betrachtet. Da ist zum Beispiel das lila Samtjäckchen mit silbernen Bordüren, das eine Frau in Serbien zu einem üppigen Blumenrock trägt und was fast an K.u.K.-Zeiten erinnert, während eine serbische Tracht mit bunten Perlen, Münzen, Bordüren eher orientalisch anmutet. Ganz anders als die einfache, schwarz bestickte Bluse, die eine Rumänin zum leuchtend weißen Kopftuch trägt.

Die schlichte Tracht einer rumänischen Frau leuchtet auf diesem Foto von Corina Gertz am Eingang der Galerie Clara Maria Sels. Foto: bikö
Jeder darf frei assoziieren, gern auch raten. Das schwarze Kleid mit züchtiger Haube und gedeckt weinrotem Schultertuch, von einer Frau mit geflochtenem Dutt getragen, wirkt norddeutsch schlicht. Es stammt von der Insel Föhr. Aber wer hätte gedacht, dass die Blumen-Perlen-Kappe mit schimmernden blauen und grünen, goldgesäumten Schleiern einer Person aus der Gegend von Hannover gehört? Ein pinkfarbenes Gewand aus Turkmenistan verhüllt die Figur komplett, während anderenorts Haut gezeigt wird. Der bloße braune Rücken über einer großen Hüftschleife gehört einem Showgirl aus dem „Tropicana“ in Havanna, das einen Kopfputz in Form eines Kandelabers balanciert. Alle abgebildeten Frauen sind übrigens mit Begeisterung bei der Sache, zumal Corina Gertz einen Deal mit ihnen macht. Es gibt zur Belohnung ein schönes Foto – von vorne.
Was, wann und wo?
Beck & Eggeling: „Dorothea Förster: Facetten“ und „Gotthard Graubner: Arbeiten auf Papier und Drucke“, Düsseldorf, Bilker Str. 5 und Bilker Str. 4-6. Sonderöffnung zur DC Open am So., 7. Sept., 13 bis 17 Uhr. Bis 25. Oktober Mi.-Fr. 10 bis 13 und 14 bis 18 Uhr, Sa. 11 bis 16 Uhr. www.beck-eggeling.de
Galerie Clara Maria Sels: „Corina Gertz: Echoes of the Unseen“. Düsseldorf, Poststr. 3 (Eingang im Hof). Sonderöffnung zur DC Open am So., 7. Sept., 13 bis 17 Uhr. Bis 8. November Di.-Fr. 15 bis 18.30 Uhr, Sa. 12 bis 15 Uhr. www.galerie-claramariasels.de