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KulturTanzTop News
Home›Kultur›Die Freiheit tanzt: Nowaday Dance Company Düsseldorf

Die Freiheit tanzt: Nowaday Dance Company Düsseldorf

Von Birgit Koelgen
9. November 2024
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Neonlichter werden zur Kulisse (Design: Sebastian Mejia) beim Auftritt der Nowaday Dance Company. Foto: bikö

Zieht euch warm an! Stiefel, Pulli, Wintermantel. Denn für dieses Ballett geht man nicht in ein behagliches Theater, sondern in den „Off-Space“ ES365, ein Atelierhaus in einem ungeheizten Ex-Autohaus an der Erkrather Straße in Lierenfeld. Kein Lustwandeln durch plüschige Foyers. Warten vor der Tür. Unmittelbar vor Beginn ist erst Einlass, quer durch einen Saal voller Kunst und Durcheinander. Doch dann öffnet sich ein Raum voller Verheißung. Leere. Kulissenhaft arrangiertes Neon-Licht. Hocker für die Zuschauer. Ein Tanzteppich auf dem Betonboden wird zur Bühne für die rasante Düsseldorfer Nowaday Dance Company und ihr Programm „Drift“, Antriebskraft.

Kein plüschiges Foyer: Der Off-Space ES365 in Lierenfeld war mal ein Autohaus. Foto: bikö

Was für eine Überraschung! Die Compagnie mit dem Namen „Heutzutage“, 2023 in künstlerischer Freiheit gegründet, zu Gast an alternativen Orten, wäre eine Bereicherung für das Düsseldorf Festival – und eine Inspiration für das Ballett der Rheinoper, dessen Chefchoreografin Bridget Breiner übrigens diskret hinten im Publikum saß. Der Kanadier Daniel Smith, Choreograf des ersten Stücks, „Sponge Effect“, tanzte bei ihrem Vorgänger Demis Volpi noch im „Nussknacker“. Jetzt macht er seine eigene Show – mit fünf Tänzerinnen und einem einzelnen Herrn, dem an der Pariser Oper ausgebildeten Valentin Juteau.

Kleine Gesten

Der Titel, übersetzt „Schwammeffekt“, soll hinweisen auf „das Aufsaugen von Erfahrungen, Gedanken und Empfindungen, die unsere inneren Welten formen“. Lockere Strickklamotten mit Socken wie in einer Yoga-Session deuten auf Weichheit hin. Aber mit ihren aufrechten Gängen und exakten Gesten erinnert die Truppe doch eher an eine märchenhafte Maschine, deren Teile sich gelegentlich trennen, um dann wieder in vollendeter Harmonie zu funktionieren.

Anmut und Kraft im rauen Ambiente: die amerikanische Tänzerin Claire Graham (Mitte) in “Sponge Effect” von Daniel Smith. Foto: bikö

Zuerst kleine Schritte, ein Zucken der Hände zu dröhnenden Klängen, dann schmiegen sich die Körper aneinander, bewegen sich wie eine Welle. Es entsteht ein Knäuel, das von einem Mädchen mit entschiedener Anmut entwirrt wird. Auch Blicke können tanzen. Selbst Humpeln kann ein Tanzschritt sein, zu perlender Klaviermusik. Spannung löst sich in einem furiosen Solo der großen blonden Claire Graham. Es gibt in dieser Truppe aber keinen Starkult. Alice Hunter, Anri Hirota, Luisa Stehmann und Caroline Powell sind gleichrangige Ballerinen.

Große Gefühle

In der Pause gibt’s heißen Tee für einen Euro, das löst die kältesteifen Glieder der Zuschauer. Dann zeigt der Franzose Pascal Touzeau, einst Solist unter William Forsythe in Frankfurt, später Ballettchef in Mainz und Madrid, wie jung er denkt und arbeitet. „What, If“ ist sein Stück und seine Frage. Was wäre, wenn der Geist sich vom Körper löste? Das muss man jetzt nicht diskutieren. Tanztheater ist keine Denkübung. Es ist ein Sehen und Fühlen. Die Texte, die zwischendurch von den Tänzern gesprochen werden, über das Reisen, den Astralkörper und den Sinn des Lebens, versteht man eh nur bruchstückhaft. Sie sind quasi Teil des Soundtracks aus Songs, Musik, Geräuschen und betonen die surreale Atmosphäre.

Surreale Szenerie: Der Sänger Thomas Huy (mit Motorradhelm) prägt die Performance im Tanzstück “What, If” von Pascal Tourzeau. Foto: bikö

Drei Frauen zelebrieren Spitzentanz in schimmernden Schuhen, es gibt etliche Pas de Deux von klassischer Schönheit. Doch im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit befindet sich die Gestalt eines Mannes, des Opernsängers Thomas Huy, der die Performance prägt. Mit Motorradhelm, einer Decke als Gewand und einem Ofenrohr als Ärmel tippelt der Bassbariton wie eine Geisha durch den Raum, setzt hauchend, rasselnd, sprechend seine Stimme ein zwischen den Tänzer*innen, die gelegentlich wie erstarrt auf einer Stuhlreihe Platz nehmen, um sich dann weiter zu bewegen wie in einem verrückten Traum. Die Konzentration ist ungeheuer, in Momenten der Stille hört man nur den Atem der Tanzenden. Großer Applaus vom allzu kleinen Publikum.

Ballett im Off-Space

Die freie Düsseldorfer Nowaday Dance Company tritt im Atelierhaus ES365 an der Erkrather Str. 365 (Haltestelle Lierenfeld Betriebshof) auf. „DRIFT“, ein zweiteiliger Tanzabend mit Choreografien von Daniel Smith und Pascal Touzeau, wird noch einmal am heutigen Samstag, 9. November, und am Mittwoch, 13. November, jeweils 20 Uhr, gezeigt. Tickets für 15 bis 17 Euro an der Abendkasse. www.nowadaydancecompany.com

 

StichworteBallettOff-Space
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