Mrs. Lennons Konzepte: Yoko Ono im K20 Düsseldorf
Irgendjemand muss ja schuld sein. Yoko Ono, diese japanische Bitch, hat die Beatles auseinandergebracht. Für eine Generation von Fans war das klar. Die saß immer so störend herum. Mit crazy Ideen. Der John konnte sich nicht mehr konzentrieren, wollte lieber mit ihr im Hotelbett für Love & Peace demonstrieren. 1970, wenige Monate nach der Hochzeit von John Lennon und Yoko Ono, wurde die berühmteste Boygroup aller Zeiten aufgelöst. Aber, Hand aufs Herz, der Band-Segen hing schon länger schief. Im Düsseldorfer K20 wird Yoko nun Gerechtigkeit zuteil – mit einer großen Schau über ihre unabhängige Kunst: „Music of the Mind“.
Stolz und schön steht sie da auf dem Ausstellungsplakat, das schwarze Haar lang und offen, in der Hand ein Glashammer von einer Performance 1967: Yoko Ono in der Blüte ihres Künstlerinnenlebens, als John ihr verfiel. Im Jahr davor – beide waren noch anderweitig verheiratet – hatte er sie in einer Londoner Galerie kennengelernt. Und sie sehr verärgert, weil er einfach so in den grünen Granny Smith biss, den sie als Kunstobjekt „Apple“ feierlich auf einem Sockel platziert hatte. Frechheit! Und der Beginn einer legendären Liebe.
Theater des Alltags
Halt! Wir wollen erst einmal zurückspulen. Denn Yoko Ono, 1933 als höhere Tochter in Tokio geboren, war früh entschlossen, eine Künstlerin zu werden. Und Entschlossenheit, kein Zweifel, ist neben einer gewissen Einfallskraft die Basis der Konzeptkunst im späteren 20. Jahrhundert. Für die Malerei fehlte Yoko Ono ohnehin die Lust: „Ich hasse es, meine Hände schmutzig zu machen“, erklärte sie 1966 in einem Interview. Aber ihr fiel immer etwas ein, um ihren unruhigen Geist zu zähmen.
An der Seite ihres ersten Ehemanns, des japanischen Komponisten Toshi Ichiyanagi, zog sie nach New York und lud zu Avantgarde-Konzerten und Events in ihren Loft ein. Sie war mittendrin. Sie machte sich bemerkbar. Sie sang und klang. Mit ihrer kleinen, aber unbeirrbaren Stimme. Aus dem Klingeln eines Telefons und dem Abheben konnte sie Musik machen: „Hello? This is Yoko!“ Alltagshandlungen verwandelte sie in Performances. Schon 1955, als andere Frauen noch hochtoupiert den Chefs und Gatten dienten, sah Yoko Ono einem Streichholz beim Abbrennen zu und nannte das „Lighting Piece“.
Schneiden erlaubt
Gleich am Eingang gibt es Fotos und einen Kunstfilm, die den Streichholzvorgang heben und heiligen. Wird von der Künstlerin übrigens zur Nachahmung empfohlen, wie viele andere Ideen, die sie Anfang der 1960er-Jahre in New York und Tokio erfand und „Instruction Paintings“ nannte. Das Publikum sollte sich doch bitte selbst bemühen und zum Beispiel in alle Pfützen der Stadt treten („Step in all the puddles in the city“). Oder ein Loch in eine Leinwand bohren, die Hand dadurch strecken und auf der anderen Seite die Hände unbekannter Gäste schütteln.
Eine solche Leinwand hängt in der Schau von der Decke. Aber wer traut sich schon, damit zu spielen? Man ist ja nicht so konsequent wie Yoko Ono, die sich 1964 in der Carnegie Recital Hall auf die Bühne setzte und die Besucher*innen aufforderte, ihr das Kleid vom Leib zu schneiden. Stück für Stück. Ungerührt ließ Yoko Ono die allmähliche Entblößung in einer Filmaufzeichnung über sich ergehen, als „eine Art des Gebens und Nehmens.“ Mehrfach hat sie ihr „Cut Piece“ (Schneidestück) wiederholt, 2003 in Paris, 70-jährig, protestierte sie damit „gegen Altersdiskriminierung, Rassismus, Sexismus und Gewalt“.
Morgen-Stück
Das muss spannend und beklemmend gewesen sein. Eine eher dokumentarische Ausstellung wie die in Düsseldorf, übernommen übrigens von der Londoner Tate Modern, kann das Gefühl eines Live-Happenings nicht erzeugen, nur wiederspiegeln. Trotzdem lohnt es sich, Yokos absurden, aufsässigen, poetischen, aberwitzigen Ideen zu folgen. Mit mildem Lächeln verkaufte sie 1965 auf dem Dach ihres Appartementhauses in New York vom Meer abgeschliffene Glasscherben, versehen mit den Daten zukünftiger Tage: ein „Morgen-Stück“, gefilmt und fotografiert.
„Es ist ein unnützer Akt“, sagte sie selbst, aber sie wollte „dem Alltag in die Speichen“ greifen. Wie 1967, als sie nach der unfriedlichen Trennung von ihrem zweiten Mann Anthony Cox, 29 Dinge des Lebens, von der Kommode bis zum Hut, in der Mitte durchteilte und zu einem halben Zimmer („Half-a-Room“) zusammenfügte. Im selben Jahr schuf sie aber auch die silberne, verspiegelte „Box of Smile“, ein freundliches Ding. Denn mit ihrem neuen Liebsten, John, ging es meistens harmonischer zu.
Boot der Sehnsucht
Gemeinsam träumten sie von „Nutopia“, einem konzeptuellen Land ohne Grenzen und Pässe. Gemeinsam drehten sie Kunstvideos wie „Fly“, wobei Fliegen auf dem nackten Körper einer Schauspielerin landeten, ohne, dass sie zuckte. Das Surren und Summen dabei ist der von Yokos Stimme erzeugte Soundtrack. Auch die Platten, die Yoko Ono mit John produzierte, gehören zur Schau. Dem Album „Fly“ fügte Mrs. Lennon 1971 ein Papier mit einem Loch hinzu, durch das man den Himmel betrachten sollte: „a hole to see the sky through“. 1975, nach einer vorübergehenden Trennung, bekamen sie ein gemeinsames Kind, ihren Darling Sean, und sie wären vielleicht zusammen sehr alt geworden (Yoko ist heute 91), wenn John nicht im Dezember 1980, kurz nach dem Erscheinen des Albums „Double Fantasy“, vor dem Haus von einem Verrückten erschossen worden wäre.
Seither hütet sie sein Andenken. Und ihre Kunstkonzepte. Für das „Shadow Piece“ sollen Besucher ihre Schatten auf einer Leinwand zusammenfügen und die Umrisse zeichnen. Sehr zaghaft sind die Linien, die da gezogen werden – ganz im Gegensatz zu den dicken blauen Skizzen und Parolen, die man im letzten Raum auf einem weißen „Flüchtlingsboot“ hinterlassen darf. „Frieden für alle!“ und „No Borders!“ Gerne teilen die Menschen ihre Sehnsüchte. Ganz im Sinn von Yoko Ono.
Was, wann und wo?
„Yoko Ono: Music of the Mind“. Bis 16. März 2025 in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, K20 am Grabbeplatz. Di. bis So. 11 bis 18 Uhr. Eintritt: 16 Euro, Studenten und Azubis 5 Euro. Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre: frei. Der kompakte, kunstvoll gestaltete Katalog aus dem Hatje Cantz Verlag hat Potenzial, ein Kultbuch zu werden: 42 Euro. www.kunstsammlung.de