Düsseldorf Altstadt: Mehrere tausend Menschen ignorieren Auflagen in der Silvesternacht

Aktualisiert um 11.50 Uhr am 1.1. mit Angaben der Polizei und der Feuerwehr | Ansammlungsverbot? Böllerverbotszone? Pandemieregeln zum Abstand? Bei frühlingshaften Temperaturen in Düsseldorf haben mehrere tausend Menschen in der Silvesternacht in der Altstadt und am Rheinufer sämtliche Auflagen schlicht ignoriert. Ordnungsamt und Polizei beschränkten sich bis nach Mitternacht auf Ermahnungen und einzelne Kontrollen. Erst um 0.30 Uhr wurde die Freitreppe am Burgplatz geräumt. Zwischen ein und drei Uhr in der Frühe habe es dann den „Schichtwechsel“ in der Düsseldorfer Altstadt gegeben. „Dann kommt ein Publikum, das uns Probleme macht.“ Ohne Fremdeinwirkung brach ein 53-jähriger Polizist auf der Neuistraße zusammen. Er verstarb in der Neujahrsnacht im Krankenhaus. Die Polizei Düsseldorf geht zurzeit von einem internistischen Notfall aus.
Böller, Raketen, Schreckschusswaffen
In einem ersten Fazit verglich ein Polizeisprecher das Geschehen in Düsseldorf mit einer Samstagnacht vor der Pandemie. Es seien sehr viele Menschen unterwegs gewesen. Ja, einzelne hätten sich geradezu einen Spaß daraus gemacht, Böller, Schreckschusswaffen und Raketen zu zünden. Diese Personen wollten dann den Beifall der Umstehenden genießen und für den Moment Youtube-Stars werden. „Aber als wir denen um 0.30 Uhr gesagt haben, sie sollten nach Hause gehen, sind sie gegangen.“ Stand Samstag (1.1.), 10 Uhr, habe es keine durch Dritte verletzten Polizisten gegeben.
Allerdings brach ein 51-jähriger Polizeibeamter auf der Neustraße laut Polizeibericht ohnmächtig zusammen. Der Beamte wurde in ein Krankenhaus gebracht. Dort sei er trotz aller Bemühungen der Ärzte in der Nacht gestorben. Zurzeit geht die Polizei Düsseldorf von einem internistischen Notfall aus. Die Ermittlungen dauerten an.
OB Keller beim Fototermin
Oberbürgermeister Stephan Keller hatte sich im Kommunalwahlkampf als „Law and Order“ verkauft. Er beschränkte sich darauf, am frühen Abend für einen eigenen, städtischen Fototermin die Mitarbeiter des Ordnungsamtes zu besuchen. Auf Kontrollen vor der Altstadt wie etwa beim Glasverbot zu Karneval oder in früheren Jahren zu Silvester verzichtete die Stadt – offenbar aus Kostengründen. Der Effekt: Den meisten Anreisenden waren die Auflagen unbekannt oder unklar. Und selbst Ordnungskräfte gestanden ein, dass Details des Ansammlungsverbots auch nach mehrmaligem Lesen nur schwer verständlich seien.

Das Ordnungsamt Düsseldorf beschränkte sich auf Kontrollen abseits der Hotspots. Eine Zusammenarbeit mit der Polizei war nicht zu erkennen.
Vollmundig verkündet, nicht umgesetzt
So wurden die vollmundig von Keller und Landesinnenminister Herbert Reul, beide CDU, verkündeten Anordnungen nicht umgesetzt. In den nun folgenden Tagen werden sich Stadt und Polizei vermutlich – wie bereits mehrfach – die Verantwortung dafür gegenseitig zuschieben. Landesinnenminister Herbert Reul, CDU, hatte Keller dazu bereits vorab eine Ansage gemacht: Die Ordnungsämter müssten die Auflagen durchsetzen. „Die Polizei unterstützt dabei, falls nötig.“
Inkonsequenz

Lange vor Mitternacht war am Rheinufer und auf der Freitreppe Burgplatz kein Durchkommen mehr. Abstände und Ansammlungsverbot wurden ignoriert und nicht kontrolliert.
In dieser Gemengelage baute sich am Silvesterabend über mehrere Stunden hinweg eine Menschenmenge in der Altstadt und am Rheinufer auf. Auch an der „längsten Theke der Welt“ herrschte Inkonsequenz. Diskotheken und Clubs hatten geschlossen, Bars aber geöffnet und sie verwandelten sich eben mit lauter Musik in Diskotheken. Vor der Tür patrouillierte das Ordnungsamt ohne einzugreifen.
Räumung erst um 0.30 Uhr

Das Zünden mit Feuerwerkskörper in der Menschenmenge wurde in Düsseldorf als Nervenkitzel betrachtet und von den meisten Umstehenden gefeiert.
Insgesamt entstand bei den Feiernden der Eindruck, dass an diesem Abend alles geht. Und genauso wurde das neue Jahr begrüßt. Mega-laut explodierende Polen-Böller ersetzten zertifiziertes Feuerwerk. Um Mitternacht wurden Knaller in die Menschenmenge geworfen – so wie jedes Jahr Silvester am Burgplatz. Das Ordnungsamt überließ der Polizei komplett das Feld. Die griff zu spät ein und schickte gegen 0.30 Uhr Bereitschaftspolizei mit Helmen und robustem Auftritt. Die Freitreppe wurde geräumt. Dafür explodierten illegale Böller dann in den engen Altstadtgassen.

Durchgreifen nach Mitternacht: Gezielt griff die Polizei Einzelpersonen. Der Mann im Poloshirt hatte Schreckschussmunition in seinen Taschen.
Die Stadt Düsseldorf geht in ihrer offiziellen Pressemitteilung nicht auf die eigenen Versäumnisse ein. Sie beschränkt sich auf die Einsatzzahlen der Feuerwehr (Stand 1.1., 7 Uhr): Mehr als 220 Kräfte seien im Rettungsdienst eingesetzt gewesen. 11 (Vorjahr: 10) mal rückten die Einsatzkräfte zu Feuermeldungen aus. Dabei brannte bei 7 (Vorjahr: 6) Alarmierungen ein Papier- bzw. Müllcontainer. Im gleichen Zeitraum ereigneten sich 104 (Vorjahr: 106) Einsatzsituationen, in denen ein Rettungswagen angefordert wurde; bei 20 Fällen (Vorjahr: 19) unterstützte ein Notarzt.

In der voll besetzten Gastronomie der Kasematten am Rheinufer Düsseldorf kam es gegen 23 Uhr zu einem Notarzteinsatz.
Anders als in den Vorjahren gab es keinen Erste-Hilfe-Bereich in der Altstadt. Die medizinische Versorgung wurde vom Rettungsdienst sichergestellt . Im Zeitraum von 22 Uhr bis Neujahrsmorgen um 7 Uhr habe es 23 (Vorjahr: einen) medizinische Notfälle im Bereich der Altstadt gegeben. Die Zahl der Verletzungen im Zusammenhang mit Feuerwerkskörpern liege nach jetzigem Kenntnisstand bei 4 (Vorjahr: 0) Menschen.
120 Impfgegner unterwegs
Eine Kleingruppen von etwa 120 Impfgegnern spazierte ab 21 Uhr durch die Stadt. Dem Vernehmen nach wollten sie auch durch die Altstadt ziehen, was die Polizei untersagte. Nach 23 Uhr lösten die Schwurbler ihre Demo am Johannes-Rau-Platz auf.