Düsseldorf – jenseits von nobel: Grüne besuchen HelferInnen und Institutionen im Bahnhofsviertel
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Es bleibt viel zu tun. Mit dieser Erkenntnis geht ein nachdenklicher Stefan Engstfeld über die Erkrather Straße in Richtung Worringer Platz. Zwei Stunden lang haben er und eine Handvoll Parteifreunde eine Ahnung davon bekommen, was das in Düsseldorf heißt: Lebensmittelpunkt Straße. Die Grüne Ratskandidatin Annette Klinke hat den Rundgang organisiert, der kein Spaziergang ist. Einerseits hat Düsseldorf viele Angebote für Menschen ohne Wohnung, ohne Job. Andererseits werden in der Altstadt Sitzbänke mit massivem Mittelbügel montiert und mancherorts sogar die Sitze in Rheinbahn-Wartehäuschen in Frage gestellt. Damit es sich dort niemand „von denen“ gemütlich machen kann.
Appell der Bahnhofsmission
Am Hauptbahnhof starten die Grünen – bei Barbara Kempenich, Leiterin der Bahnhofsmission – der Frau mit der blauen Weste. Neben einigen Zahlen wendet sich Kempenich mit einem Hilferuf an die Düsseldorfer Stadtpolitik. In den engen Räumen der Bahnhofsmission dürfen sich derzeit höchstens vier Personen aufhalten, wo vor Corona 15, 16 Gäste ihren Kaffee tranken und zur Ruhe kommen konnten. „Wir erreichen derzeit unsere Stammgäste im Bahnhof oder rund um den Bahnhof“, sagt Barbara Kempenich. „Das geht jetzt im Sommer gut; deutlich besser, als ich es zu Beginn der Pandemie befürchtet hatte.“ Doch was wird im Herbst und Winter? Die Bahnhofsmission braucht einen großen Raum – zum Beispiel in der just frei werdenden Beratungsstelle des Migrationsamteds am Bertha-von-Suttner-Platz. „Dort könnten sich unsere Leute auf Abstand ausruhen; wir würden den Raum mit weiteren Initiativen teilen und sofort wieder verlassen, sobald das Corona-Virus nicht mehr gefährlich ist“, erläutert Kempenich von der Bahnhofsmission.
Freiräume vergessen
Einen unmenschlichen Aspekt von Stadtplanung à la Düsseldorf spricht Streetworker Thomas Wagner von aXept an, der gemeinsam mit seinen KollegInnen in der Altstadt unterwegs ist. Dort, wo neue Viertel entstehen, wird nicht an die Menschen gedacht, deren Lebensmittelpunkt die Straße ist, sagt er den Grünen. Ein Punkt, den ganz am Schluss der Runde auch der Geschäftsführer der Drogenhilfe, Michael Harbaum aufgreift. Er wurde in den zurückliegenden Wochen oftmals gefragt, warum es plötzlich so viele Junkies auf dem Worringer Platz gibt: „Es sind nicht mehr geworden, doch sie sind jetzt sichtbarer, weil die Neubauprojekte im Quartier ihnen ihre bisherigen Rückzugsorte genommen haben.“ Thomas Wagner von aXept wünscht sich einen sicheren Raum im Bereich der Altstadt. Bislang ist das etwas, was Glas- und Beton-Architekten, die Düsseldorfer Politik und die Stadtplaner schlicht vergessen. Oder verdrängen?
Maria Peixoto erklärt, wie das Trebe Café funktioniert. Foto: Die Grünen/Annette Klinke
Wer helfen will, muss Vertrauen aufbauen. Das gilt auch im Trebe Café, einem Rückzugsort für junge Frauen, die auf der Straße leben. Sich die Post dorthin schicken lassen, Wäsche waschen, ohne Angst ein paar Stunden Ausruhen oder mit anderen Quatschen – das können sie im Café. Leiterin Maria Peixoto erzählt davon, dass man hier nicht gleich mit der Brechstange versucht, die Gästinnen zu einem anderen Leben zu bringen. Sondern erst einmal zuhört und dann versucht, gemeinsam mit ihnen einen Plan zu entwickeln.
Michael Harbaum im Café der Drogenhilfe an der Erkrather Straße.
In den Räumen der Drogenhilfe an der Erkrather Straße zeigt Michael Harbaum, wie Corona die Arbeit noch komplizierter gemacht hat, als sie schon ist. Abstandsregeln bedeuten auch hier, dass Menschen draußen warten müssen, bevor sie im Druckraum einen Platz bekommen, um ihr Rauschmittel konsumieren zu können. Sie haben Zelte aufgestellt, damit die Wartenden vor Regen und Sonne geschützt sind. Und ein Teil der Energie der rund 70 MitarbeiterInnen geht in die Überwachung der Corona-Regeln, statt in den Kontakt mit den BesucherInnen. Im Café hängen große Acrylglasscheiben zwischen der Thekenbesatzung und den Kunden.
Stefan Engstfeld (l.) und Michael Harbaum vor dem Eingang der Drogenhilfe
„Wir haben hier Ausbaupläne und wollten eigentlich den Druckraum von zehn auf 17 Plätze vergrößert haben“, berichtet Harbaum. Corona hat auch diese Abläufe komplett durcheinander gebracht. Aber immerhin – die erforderlichen Genehmigungen sind da – bald können die Arbeiten starten, während die Kundschaft für den Bauzeitraum in Containern empfangen wird.
„Wir freuen uns über alle Menschen, die uns besuchen und sich unmittelbar bei uns informieren – nicht nur vor Wahlen“, sagt Harbaum. Und bietet an, einfach mal für einen halben oder einen ganzen Tag in der Drogenhilfe mitzuarbeiten. Das sei authentischer als jeder Vortrag.