Düsseldorfs Kunsthäuser wieder eröffnet: Picasso und die Fotos
Die Krise bringt es an den Tag: Kneipen, Kitas und Kaufmannsläden werden schmerzlicher vermisst als die Kunst. Und so kommt es, dass die Menschen nach ersten Lockerungen zwar stundenlang wie blöde in der Warteschlange vor Ikea ausharrten (obgleich es nicht mal Kötbullar gab), aber nur vereinzelte, brav maskierte Besucher in die Düsseldorfer Ausstellungen streben. Das hat natürlich auch viel Schönes. Am ersten Tag der Wiedereröffnung von K20 und der Kunsthalle am Grabbeplatz konnte man am hier tatsächlich allein mit Picasso sein und da ganz ohne Gedränge die weltberühmte Fotokunst der Rhein-Ruhr-Region bestaunen: „Subjekt und Objekt“.
Unmittelbar nach der Eröffnung kam der Lockdown. Deshalb ist die seit dem 20. März fertige Kunsthallen-Ausstellung mit 600 Arbeiten von 100 namhaften Fotograf(inn)en praktisch noch ungesehen. Direktor Gregor Jansen hat sie gleich nach hinten raus bis zum 16. August verlängert. Und da er und Kurator Ralph Goertz in puristischer Absicht auf Saaltexte verzichtet haben, ist die Schau ein Labsal für alle, die sich mal von den endlosen Wortgefechten rund um Corona erholen wollen.
Die Bechers und ihre Schüler
Populäre Perspektiven wie bei Lindbergh am Ehrenhof gibt’s allerdings nicht. Die Kunsthalle appelliert wie immer an den intellektuell orientierten Kulturbürger, der sich klaglos durch Kataloge arbeitet und ein sprödes Konzept zu schätzen weiß. Präsentiert werden drei Generationen von Fotokünstlern aus dem Umkreis der Essener Folkwangschule, der Kölner Werkkunstschule und der Düsseldorfer Akademie, wo das legendäre Professorenpaar Bernd & Hilla Becher ab 1976 spätere Berühmtheiten unterrichtete: Andreas Gursky, Thomas Struth, Thomas Ruff, Candida Höfer zum Beispiel.
Und sie sind alle dabei. Oben am Geländer, himmelwärts, schwebt eine der strengen Schwarz-Weiß-Serien der Bechers: filigrane Fördertürme, die sie 1974-78 in Philadelphia fotografiert hatten. Von Gursky gibt’s ein paar Arbeiten aus den 1980er Jahren wie „Ratingen, Schwimmbad“, wo die Leute wie seltsame Insekten erscheinen. Thomas Struth zeigt neben neapolitanischen Häuserschluchten eine seiner ersten musealen Szenen: „Restauratoren in San Lorenzo Maggiore“. Ruff, berühmt für seine starren Porträts, turnt in einer kleinen Fotoserie als junger Stipendiat auf zwei Ledersesseln der Pariser Cité des Arts. Und von Candida Höfer stammt ein Badezimmer-Bild aus Los Angeles mit leuchtenden orangefarbenen Kacheln.
Nüchterner Blick auf die Welt
Erklärt wird da nichts, Anekdoten fallen aus. Es gibt auch keine Ordnung nach Ort, Zeit oder Namen, sondern, so heißt es, „ein offenes, assoziatives Zusammenspiel der Arbeiten untereinander“. Stellwände aus rohhölzernen Gittern sorgen in der Tat für interessante Kombinationen, man erkennt gewisse Muster. Ein nüchterner Blick auf die Welt ist den meisten Positionen gemeinsam. Nicht nur Ruff, auch der junge Axel Hütte und noch früher Detlef Orlopp, der in Köln bei Otto Steinert studiert hatte, lieferten klare Porträts unbekannter Menschen, die geradeaus in die Kamera blicken, ohne Pose, ohne Schönfärberei. Landschaftsthemen wie der kahle „Walnussbaum“ von Simone Nieweg (1991) oder die vertrockneten Rhododendron-Büsche, die Berit Schneider, eine Schülerin von Orlopp und den Bechers, im Dürrejahr 2019 fotografiert hat, haben nichts Dramatisches. Sie sind Bestandsaufnahmen – wie zahlreiche Serien von schmucklosen Bauwerken, spießbürgerlichen Interieurs und strapazierten Menschen oder die Ansichten kleiner schäbiger Läden, die Becher-Schülerin Tata Ronkholz (1940-97) gesammelt hat.
Für ein bisschen innere Bewegung sorgen die performativen Serien – gehobener Blödsinn im Zeitgeist des späten 20. Jahrhunderts. Der Kölner Selbstdarsteller Jürgen Klauke kaspert da mit einer Knarre, das Duo Anna und Bernhard Blume lässt ein „Trautes Heim“ durcheinanderwirbeln. Andere treiben subtile Scherze mit isolierten Dingen wie der Düsseldorfer Konzeptkünstler Hans-Peter Feldmann, dessen „Brotscheiben“ auf weißem Hintergrund schweben. Einfach so.
In Erwartung des Ansturms
Irgendwann wird das gegenwärtige Masken- und Abstandstheater gewiss von der Fotokunst verarbeitet werden, denkt man sich noch. Und geht dann rüber ins schwarz glänzende K20, um etwas ganz Anderes zu sehen. Die eigentlich geplante Vorstellung der Minimal-Art-Meisterin Charlotte Posenenske (1930-85) ist wegen der Corona-Blockaden verschoben worden, dafür kann man in aller Ruhe noch einmal die exquisite (ausführlich besprochene) Ausstellung von Picassos Bildern aus den Jahren des Zweiten Weltkriegs genießen. Noch kann von einem Ansturm nicht die Rede sein.
Wer nachher einen Cappuccino braucht, darf sich den für stolze 3,20 Euro im noch geschlossenen Museumsrestaurant „Klee’s“ holen, wird dann aber mit dem Pappbecher in die Wüste geschickt beziehungsweise auf den total verdreckten Grabbeplatz, wo die Krähen im To-Go-Müll picken und nur unempfindliche Naturen auf beschmierten Stufen und Betonbänken ausruhen. Ich radele lieber nach Hause.
Museale Informationen
Die Düsseldorfer Museen können wieder besucht werden, natürlich nur mit Maske. Es werden jeweils nur so viele Menschen eingelassen, dass Sicherheitsabstände gewährleistet bleiben. Führungen und Veranstaltungen fallen aus. In der Kunsthalle am Grabbeplatz ist bis 16. August die Ausstellung „Subjekt und Objekt. Foto Rhein Ruhr“ zu sehen. Di.-So. 11 bis 18 Uhr. Eintritt: 6 Euro. Der Katalog kostet 30 Euro. Der im selben Haus residierende Kunstverein hat seine Ausstellung „Deferral Theatre“ der koreanischen Künstlerin Siren Eun Young Jung bis 26. Juli verlängert. Die bis Ende Juni geplante Picasso-Ausstellung im K20 wird voraussichtlich auch noch verlängert. Di.-Fr. 10 bis 18 Uhr, Sa./So. 11 bis 18 Uhr. www.kunstsammlung.de und www.kunsthalle-duesseldorf.de