Düsseldorf Völkermord: Gedenken an die ermordeten Sinti und Roma
Ein Kind hat irgendwann am Morgen auf der Umrandungsmauer einen kleinen Schneemann geformt – eine Handbreit hoch und mit einem Eisstiel als Nase. Die kalten Winterwinde wehten am Sonntag (16.12.) über das alte Düsseldorfer Hafenbecken. Nur eine Ecke weiter drehte sich der Weihnachtsmarkt um Glühwein und Bratwurst. Bürgermeister Wolfgang Scheffler legte Ehra einen Kranz zu Füßen. Der Strubbelkopf hat das KZ der Deutschen überlebt – und diente Otto Pankok als Modell für die Bronzefigur des Mädchens mit einem Ball in der Hand. Der 16. Dezember ist Gedenktag für den Völkermord an mehr als 500.000 Sinti und Roma.
Das Mädchen Ehra wurde während der Nazi-Zeit im Lager am Höherweg in Düsseldorf Lierenfeld interniert. Dort waren rund 200 Düsseldorfer Sinti und Roma festgesetzt worden. Ehra wurde 1940 in ein Konzentrationslager deportiert. Am 16. Dezember 1942 gab Heinrich Himmler den Befehl, die letzten Sinti und Roma aus dem Deutschen Reich und aus den besetzten Ländern in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau bringen zu lassen. Dieser „Auschwitz-Erlass“ war ein zentraler Befehl zum nationalsozialistischen Massenmord, dem bis zum Kriegsende circa eine halbe Million Sinti und Roma in allen besetzten Ländern zum Opfer fielen. 1994 erklärte der damalige Bundespräsident Roman Herzog den 16. Dezember zum nationalen Gedenktag in Erinnerung an diesen Völkermord.
Roman Franz, Landesverband der Sinti und Roma NRW: "Es ist wieder so weit."
Bei der Gedenkveranstaltung in der Düsseldorfer Mahn- und Gedenkstätte, Mühlenstraße 29, ist Roman Franz ernst. 89 Prozent der Juden und der Sinti und Roma in Europa seien der Meinung, man sei wieder so weit, sagt der Vorsitzende des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma NRW. Deshalb sieht es Franz als ein Zeichen, dass viele Stühle vor ihm besetzt sind. Es scheint Menschen zu geben, die Hass und Hetze von Afd und Co. nicht dulden wollen.
Liste
Die Historikerin und Publizistin Dr. Annette Leo liest aus ihrem Buch „Das Kind auf der Liste. Die Geschichte von Willy Blum und seiner Familie": Am Anfang gab es nur seinen Namen auf einer Liste, getippt im September 1944 in der Häftlingsschreibstube des KZ Buchenwald. Es war eine Transportliste nach Auschwitz mit den Namen von 200 Kindern und Jugendlichen. Die Nummer 200, "Zweig, Stefan" ist durchgestrichen. An seine Stelle wurde auf einem Zusatzblatt "Blum, Willy" hinzufügt.
Wölfe
Der dreijährige Stefan Jerzy Zweig überlebte das KZ Buchenwald, die Geschichte seiner Rettung bildete später die Vorlage für den Erfolgsroman von Bruno Apitz „Nackt unter Wölfen“. Über den sechzehnjährigen Sinto Willy Blum, der in Auschwitz ermordet wurde, war dagegen lange Zeit nichts bekannt. Angestoßen von einem Protestschreiben des Vorsitzenden des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose, anlässlich der Neuverfilmung des Apitz-Romans "Nackt unter Wölfen" im Jahr 2015 hat sich Annette Leo auf die Suche nach der Geschichte von Willy Blum und seiner Familie gemacht.
Marionetten
Es ist die Geschichte einer Familie von Marionettenspielern, die seit Generationen Kultur in die Dörfer und kleinen Städte brachten. Es ist die Geschichte einer rassistischen Verfolgung während der NS-Zeit und zugleich die Geschichte von Missachtung und Verschweigen dieses Leidensweges während der Nachkriegszeit. Die Veranstaltung der Stadt Düsseldorf, der Mahn- und Gedenkstätte und des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma NRW stand im Rahmen der Reihe "Respekt und Mut".