Düsseldorf: Breites Bündnis demonstriert mit über 15.000 Teilnehmern gegen die Verschärfung des Polizeigesetzes
Die Erwartungen der Organisatoren bezüglich der Teilnehmerzahlen wurden am Samstag bei der Demonstration gegen den Entwurf des neuen Polizeigesetzes übertroffen. Der Veranstalter spricht von rund 20.000 Demonstranten, die bunt und friedlich durch die Düsseldorfer Innenstadt bis zum Landtag zogen. Die Polizei nahm ihre Zahlenangaben von zunächst rund 15.000 auf 9.300 zurück. Report-d klickte mit dem Handzähler rund 13.000 Teilnehmer an der Friedrich-Ebert-Straße/Oststraße.
Der Versammlungsplatz vor dem DGB Haus reichte nicht aus, um die Teilnehmer der vielen verschiedenen Gruppierungen aufzunehmen. Immer mehr Menschen mit Fahnen, Schildern und Transparenten strömten vom Bahnhof und der Innenstadt. Zu Beginn der Demo war die Friedrich Ebert Straße komplett gefüllt mit Demonstranten.
Von Ultras über Gewerkschaften und Parteien bis hin zum Hoppeditz
Es war ein buntes Bild: Vorne trommelten eine Sambagruppe, die Fußballfans verschiedener Vereine stimmten ihre Schlachtrufe an und dazwischen gingen politische Parteien – darunter Jusos, Grüne und Die Linken, die Gewerkschaften, Naturschützer, Frauenverbände, Attac, der Juristenverband, Antifaschisten und Düsseldorf stellt sich quer. Aus ganz NRW waren die Teilnehmer angereist. Die SPD-Landtagsfraktion hatte sich dem Protest gegen anlasslose Festnahme verweigert, so ein Sprecher des breiten Bündnisses gegen das geplante Polizeigesetz (Info im Kasten unten).
In der Sache waren sich die Fußballfans der verschiedensten Vereine einig – da demonstrieren auch die Kölner in Düsseldorf.
Auflagen der Polizei gekippt
Die Polizei war mit mehreren Hundertschaften vor Ort und beobachtete die Lage. Ihre Auflagen zu den Lautsprecherwagen im Demonstrationszug waren noch am Freitagabend vom Oberverwaltungsgericht gekippt worden. Offenbar vermuteten die Ordnungskräfte, die Demonstranten würden die Fahrzeuge als Lager für Wurfmaterial oder Ausgangspunkt für Gewalttätigkeiten nutzen.
Durch die große Zahl der Demonstranten zog der Zug der Menschen nur langsam über die Steinstraße zur Kö, dem Graf-Adolf-Platz und dann über die Haroldstraße zum Landtag. Dort füllte sich die Rasenfläche immer mehr und erst hier wurde klar wie viele Teilnehmer tatsächlich gekommen waren. Der Veranstalter korrigierte seine Teilnehmerschätzung schließlich auf 20.000.
Kundgebung auf der Landtagswiese
Der Landtag will zwar erst nach der Sommerpause über den Entwurf zum neuen Polizeigesetz abstimmen, doch die Demonstranten machten deutlich, dass auch die von Innenminister Reul angekündigten Änderungen in ihren Augen nicht ausreichend sind. Ihr Ziel ist es, den kompletten Entwurf zu kippen. Bestärkt wurden sie darin durch die bunte Vielfalt der Teilnehmer, unter denen sogar die Fans der Fußballvereine befanden, die normalerweise rivalisieren.
Transparent an der Bannmeile vor dem Landtag.
„Alle sind von den Verschärfungen betroffen und deswegen demonstrieren wir Seite an Seite“, erklärt Sebastian von der organisierten Fanszene des Bundesligisten Fortuna Düsseldorf. „Die Vorschläge der Landesregierung würden Tor und Tür für polizeiliche Willkür öffnen – egal, ob auf dem Weg zum Fußballspiel, zur Arbeit oder zu einer Demonstration.“
"No PolG"
Was der Entwurf inhaltlich bedeutet, machte Rechtsanwalt und Mitglied der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) Jasper Prigge, bei seiner Rede auf der Bühne vor dem Landtag deutlich:„Überwachen, kontrollieren, einsperren. Das sind keine Lösungen, sondern Grundrechtsverletzungen. Es gibt keine Garantie, dass die Polizei sorgsam mit derart weitreichenden Befugnissen umgehen wird. Das Gesetz hat eine Schieflage. Es setzt auf mehr Polizeibefugnisse, ohne die Rechte der Betroffenen hinreichend zu schützen.“
Rechtsanwalt Jasper Priggen: "Auflagen der Düsseldorfer Polizei müssen politisch aufgearbeitet werden§.
Rechtsanwalt Jasper Priggen kritisierte die ursprünglich verhäüngten Auflagen der Düsseldorfer Polizei, die vom Oberverwaltungsgericht Münster gekippt worden waren. Verena Schäffer, innenpolitische Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion NRW, empörte sich: "CDU und FDP nehmen billigend in Kauf, dass sie mit dem Gesetz gegen die Verfassung verstoßen. Innenminister Reul ist deshalb selbst ein Risiko für die Freiheit und für unsere verfassungsrechtlich verbrieften Rechte!" Der Vorsitzende der Baugewerkschaft rief alle Gewerkschaften des DGB zum Widerstand gegen das Polizeigesetz von CDU und FDP auf und kündigte an, man werde auch vor politischen Generalstreiks nicht halt machen.
Rund 300 Organisationen unterstützen das im April gegründete Bündnis „No-Polizeigesetz-NRW“ und die Zeit bis zur Abstimmung über den Entwurf des neuen Polizeigesetzes wollen sie nutzen, um den Protest noch breiter aufzustellen und sich auch bundesweit besser zu vernetzen. “Weil uns Freiheit, Demokratie und Grundrechte am Herzen liegen, werden wir weitermachen und keine Ruhe geben, bis das Gesetz verhindert wurde! Unser Protest hat gerade erst begonnen”, so Nils Jansen, Sprecher des Bündnisses.
Entwurf zum neuen Polizeigesetz NRW
Der Begriff „drohende Gefahr“ soll eingeführt werden. Er würde den Polizeikräften ein Eingreifen erlauben, „wenn lediglich das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass die Person innerhalb eines absehbaren Zeitraumes eine Straftat von erheblicher Bedeutung begehen wird“ (Änderungen in § 8 Abs. 4, 5 PolG NRW – E). Für die Kritiker des neuen Polizeigesetzes ist der Begriff zu abstrakt, denn auch ohne das Vorliegen einer konkreten Tat könnte die Polizei bereits eingreifen. Im Einzelfall würde die Prognose des Geschehens ausreichen und alles übrige im Ermessen der Polizei liegen.
Desweiteren sollen die verdachtsunabhängig Personenkontrolle ermöglicht und die Voraussetzungen zur Überwachung der Telekommunikation neu geregelt werden. Damit dürfte die Polizei ohne Wissen der betroffenen Person deren Telekommunikation überwachen und aufzeichnen. Auch die Videoüberwachung soll ausgeweitet werden. Bisher darf diese nur an Kriminalitätsschwerpunkten eingesetzt werden. Im Entwurf wäre sie auch an Orten erlaubt, an denen „tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dort Straftaten von erheblicher Bedeutung verabredet, vorbereitet oder begangen werden“.
Wenn die Polizei nach der aktuellen Rechtslage jemanden festnimmt, darf der Verdächtige nicht länger als 24 Stunden ohne richterliche Anordnung in Gewahrsam genommen werden. Bei „Gefährdern“ soll bei einer drohenden terroristischen Gefahr der staatliche Freiheitsentzug bis zu einem Monat möglich sein. Eine ganze Woche darf der Freiheitsentzug nach dem Entwurf des neuen Polizeigesetzes dauern, wenn eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person besteht. Ein Gewahrsamnahme kann bei einer Wohnungsverweisung zehn Tage dauern oder bis zu sieben Tagen bei einer drohenden Gefahr oder einer drohenden terroristischen Gefahr.
Zur Ausstattung der Polizei sollen neben Schusswaffen künftig auch Taser gehören. Kritiker befürchten, dass diese Elektroschockpistolen durch die Polizei mit deutlich geringerer Hemmschwelle eingesetzt würden.