„Teilhabe statt Ausgrenzung“ – Demonstration in Düsseldorf gegen das Bundesteilhabegesetz
Während die Grundschulkinder im NRW-Landtag zum feierlichen Festakt des 70. NRW-Geburtstags ein Ständchen singen, erklingen vor dem Gebäude ganz andere Töne: Pfiffe, Rufe und Protest kommen von den 3000 Menschen, die gegen den Entwurf des Bundesteilhabegesetz demonstrieren.
Während im Landtag der Festakt lief, demonstrierten die Menschen davor
Gesetz soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden
Das Bundesteilhabegesetz soll das Leben von Menschen mit Behinderung einfacher und besser machen. Doch der Paritätische Wohlfahrtsverband NRW, die Landesarbeitsgemeinschaft Werkstatträte NRW und die Lebenshilfe NRW kritisieren den Entwurf und haben Mitstreiter aus dem ganzen Bundesland aufgerufen nach Düsseldorf zu kommen. Mit zahlreichen Bussen reisten die Demonstranten mit und ohne Behinderung an und forderten lauthals die NRW-Landesregierung auf, sich für ihre Interessen einzusetzen.
Das neue Bundesteilhabegesetz geht am 14. Oktober in Berlin in die parlamentarische Beratung und soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Das Gesetz, das vom Wortlaut her die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in ganz Deutschland sichern soll, hat nach Meinung der Demonstranten viele Schwächen.
Rund 3000 Menschen aus ganz NRW demonstrierten am Mittwoch in Düsseldorf
Die Kritikpunkte und Forderungen
Teilhabe bedeutet, dass Behinderte überall dabei sein können: in der Schule, am Arbeitsplatz, im Wohnviertel und in der Freizeit. Niemand darf benachteiligt werden.
In dem Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass die betroffenen Menschen nicht mehr selber darüber entscheiden dürfen, wo, wie und mit wem sie wohnen und leben möchten. Die finanzielle Unterstützung für Lebensunterhalt und Teilhabe soll nach den Vorstellungen der Politiker getrennt werden. Die Demonstranten befürchten, dass die Kosten für individuelles Wohnen nicht mehr getragen werden, wenn eine Heimunterbringung preiswerter ist. Sie fordern eine bedarfsgerechte Erstattung für Wohnen und Leben.
Wenn das Gesetz so verabschiedet wird, müssen Menschen mit Behinderung ihr Einkommen und Vermögen für ihre Versorgung und Betreuung einsetzen, bis der Freibetrag von 2600 Euro erreicht ist. Dagegen wehren sich die Demonstranten, denn auch Partner und Familien der Behinderten sollen finanzielle Unterstützung leisten.
Die Eingliederungshilfe ist die finanzielle Unterstützung, die die Behinderten erhalten, um die Folgen der Behinderung auszugleichen oder eine Verschlechterung zu verhindern. Mit dem neuen Gesetzt wird der Anspruch darauf erschwert, denn es muss Bedarf in mindestens fünf von neun festgelegten Lebensbereichen nachgewiesen werden. Wer nur bei wenigen Dingen Unterstützung braucht, beispielsweise bei Verträgen oder finanziellen Angelegenheiten, geht in Zukunft leer aus, befürchten die Kritiker. Im 9. Sozialgesetzbuch (Teil 1) sind heute schon Leistungen festgelegt. Eine Forderung der Demonstranten ist, diese Regeln auch für die Eingliederungshilfe gelten zu lassen.
Um mehr Menschen mit Behinderung einen Arbeitsplatz zu verschaffen, soll die Ausgleichsabgabe der Unternehmen, die zu wenig Behinderte beschäftigen, erhöht werden. Mit den Einnahmen könnten zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden.
(v.l.) Die Politiker Rainer Schmeltzer, Armin Laschet und Karl-Josef Laumann bei den Demonstranten
Demonstranten fanden Gehör bei der Politik
Trotz des Festaktes im Landtag sprachen Landtagspräsidentin Carina Gödecke (SPD) und Rainer Schmeltzer (SPD), NRW-Minister für Arbeit, Integration und Soziales, zu den Demonstranten. Doch die glaubten den Worten nicht und übergaben eine Resolution.
Auch CDU-Fraktionsvorsitzender Armin Laschet und Karl-Josef Laumann (CDU), Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit und Bevollmächtigter der Bundesregierung für Patienten und Pflege, hatten den Feierstunde verlassen und führten am Rande der Demonstration Gespräche. Dabei waren von Laumann immer wieder Äußerungen wie „wer soll das bezahlen?“ und „das Gesetzt bringt auch Verbesserungen“ zu hören.
Herbert Frings, Geschäftsführer der Lebenshilfe NRW, kritisierte: „Leistungen der Pflegeversicherung dürfen nicht gegen die der Eingliederungshilfe ausgespielt werden. Sie verfolgen unterschiedliche Ziele. Es muss auch in Zukunft gerade für Menschen mit Behinderung gelten, dass Förderung und Rehabilitation vorrangig gegenüber der pflegerischen Versorgung ist“.