Düsseldorf Oberbilk: Stadtrundgang mit vielen positiven Eindrücken bei den Teilnehmer*innen

Die von Bundeskanzler Friedrich Merz propagierte „Stadtbild-Äußerung“ hat nicht nur beim Verein Flüchtlinge Willkommen in Düsseldorf Irritationen hinterlassen. Viele sahen sich angesprochen, obwohl sie schon in Deutschland geboren sind und hier arbeiten. Geflüchtete fühlten sich verletzt und nicht willkommen. Düsseldorf ist eine internationale Stadt, zu der die Vielfalt gehört, wie auch CDU-Bürgermeister Dr. Stephan Keller betont.

Der 1. Vorsitzende des Vereins Flüchtlinge Willkommen in Düsseldorf begrüßt mit Dirk Sauerborn die Teilnehmer*innen
Die Äußerungen des Bundeskanzlers zum Stadtbild hat den Verein veranlasst, erneut zu einem Stadtrundgang durch Oberbilk einzuladen. Dirk Sauerborn führte am Samstag (8.11.) durch den Kiez und über 30 Interessierte schlossen sich an. Unter dem Motto „Nicht über das #Stadtbild, sondern mit den Menschen reden!“ war Ziel gemeinsam über den Stadtteil ins Gespräch zu kommen. Dabei kritisierte Sauerborn zu Beginn seiner Führung, dass die Merz-Äußerungen Millionen Menschen ins Abseits gestellt hätten. In der Position eines Bundeskanzlers müsse man eigentlich wissen, wie eine Botschaft ankommen kann. Der Rundgang sei eine Einladung, sich intensiver mit dem Stadtteil zu beschäftigen und die zum Teil von den Medien vermittelten Bilder durch eigene Erfahrungen auszutauschen.

Die Ellerstraße hat als Pendant zum japanischen Viertel auch ein Straßennamensschild in arabischer Sprache
Bereits beim Start an der Eisenstraße gab es bereits die wichtige Erkenntnis, dass dort früher die für die Industrie bedeutsame Eisenbahnlinie verlief. Denn der Stadtteil Oberbilk entstand als erstes Industrie- und Arbeiterviertel Düsseldorfs Mitte des 19. Jahrhunderts. Die ersten Industrieunternehmer und auch der Großteil der Arbeitskräfte kam von außerhalb nach Oberbilk und die Zuwanderung hat Oberbilk bis heute als multikulturellen Stadtteil geprägt.
Die großen Fabriken sind vollständig verschwunden. Kaum vorstellbar, dass der heutige Bertha von Suttner-Platz bis Ende der 1970er Jahre der Standort des Oberbilker Stahlwerks war. Lediglich zwei Reliefs am Ostausgang des Hauptbahnhofs erinnern noch daran. Die Untere Ellerstraße und einige Nebenstraßen wurde seit den 1960er Jahren vor allem von Zuwanderern aus Marokko geprägt. Viele von ihnen kamen illegal, wurden aber dringend als Arbeiter in den Fabriken gebraucht. Das Anwerberabkommen mit Marokko wurde 1963 erst auf Druck der Industrie geschlossen, um den Menschen einen legalen Aufenthalt zu ermöglichen.

Housaian Fannoua (links) und viele Landsleute haben zum Erfolg von Düsseldorf beigetragen, sein Werdegang ist auch im Buch enthalten
Als Dirk Sauerborn die Gruppe über die Eisenstraße führte, trafen sie Housaian Fannoua, der dort ein Reisebüro betreibt. Er kam 1960 nach Deutschland und hat in verschiedenen Bereichen gearbeitet. Mit Reisen nach Marokko, dem Transport von Waren und mittlerweile Paketstation im Viertel ist sein Ladenlokal Anlaufstelle für viele Menschen. Das gilt auch für das Café Mamounia an der Ecke zur Ellerstraße, wo man sich auf einen Tee und zum Austausch trifft. Nicht weit entfernt finden sich zahlreiche Lebensmittelgeschäfte, aber auch Bäckereien und Lokale, die von ihrer internationalen Kundschaft geschätzt werden.
Das Internationalität auch Konflikte bergen kann, haben auch die Anwohner*innen festgestellt. Es war die marokkanische Gemeinschaft, die im Jahr 2012 auf die Polizei zukam und die Zusammenarbeit suchte. Daraus entstanden Runde Tische und auch die Stelle des Kontaktbeamten für interkulturelle Angelegenheiten, die viele Jahre von Dirk Sauerborn besetzt war. Viele Aktivitäten sind im Viertel entstanden. Ein gutes Beispiel ist der Verein Königinnen und Helden. Neben ihrem Standort an der Linienstraße, bauen Andrea Abbing und ihr Team gerade den alten Waschsalon an der Querstraße zu einem neuen Treffpunkt aus. Zielgruppe sind nicht nur die Oberbilker Kinder aller Nationalitäten, auch Frauentreffs und Angebote für alle gehören dazu.

Andrea Abbing (3.v.r.) erklärt das neue Projekt von Königinnen und Helden
Wer mit offenen Augen durch das Viertel geht, findet zahlreiche künstlerische Aspekte. Künstlerin Inge Sauer organisiert mit der Demokratiewerkstatt Oberbilk Rundgänge, denn Künstler der Düsseldorfer Malerschule sind Namensgeber für verschiedene Straßen im Viertel. Beispielsweise Carl Friedrich Lessing, dessen Bild an einer Hauswand an der Ecke Lessing- und Dreiecksstraße angebracht ist.

An verschiedenen Stellen trifft man in Oberbilk auf Kunst – hier das Portät von Carl Friedrich Lessing
Der Rundgang führte weiter durch Lebensmittelgeschäfte, zum Mintropplatz und endete schließlich in den Räumen von Flüchtlinge Willkommen in Düsseldorf. Dort nutzen noch viele Teilnehmer*innen die Gelegenheit zum Austausch über die gesammelten Erlebnisse. Und eins wurde deutlich, beim nächsten Gang durchs Viertel werden sie es mit anderen Augen sehen.