Abschiedsblues in der Kunsthalle Düsseldorf

Die Kunsthalle Düsseldorf, ein grauer, aber irgendwie kultiger Bau des Brutalismus, wird im nächsten Jahr wegen Sanierung geschlossen. Die restlichen Ausstellungen fühlen sich wie Endspiele an. Nach dem plötzlichen Abschied von Direktor Gregor Jansen organisiert die kommissarische Leiterin Alicia Holthausen das schwächelnde Programm der letzten Monate. In diesem Sommer sind es Klang-Performances „Im Kinosaal“ sowie eine kleine Schau für Ursula Schulz-Dornburg und Farah Al Qasimi, die mit dem Bernd-und-Hilla-Becher-Preis für Fotokunst bedacht wurden.

“Im Kinosaal” der Kunsthalle soll man sich überraschen lassen: Hinter der Tür präsentieren 13 Künstler*innen nacheinander ihre audiovisuellen Konzepte. Foto: bikö
Viel Luft nach oben ist im schönsten Raum des Hauses, dem zweistöckigen „Kinosaal“, der jetzt verdunkelt wurde für eventuelle Projektionen. 13 Künstler*innen sollen hier nacheinander bis zum September ihre audiovisuellen Installationen zeigen. Zunächst sieht man allerdings nichts. Außer ein paar bequemen Fauteuils zum Platznehmen. Alexandra Gruebler, „a Berlin-based instrumentalist, vocalist and performer“, lässt eigene Kompositionen hören, die eine quasi sakrale Atmosphäre schaffen.
20 Jahre Salon

Fotos und Filme zur 20-jährigen Geschichte des “Salon des Amateurs” sind im ersten Stock der Kunsthalle zu sehen. Foto: bikö
Da kann man dann von den aufregenden Zeiten der Kunsthalle träumen, als Jürgen Harten (bis 1998) hier die Moderne feierte. Zu Hartens Zeit gab es im ersten Stock ein Museumscafé mit Blick auf den Grabbeplatz. Das wünscht man sich zurück. Die jüngere Generation fand allerdings den „Salon des Amateurs“ cooler, einen 2004 von Akademie-Absolventen gegründeten Musikclub im dunklen niedrigen Erdgeschoss der Kunsthalle. Eingeweihte freuen sich vielleicht jetzt über Archivarbeit im ersten Stock, wo die 20 Jahre dieses Etablissements mit Filmen und Fotos gewürdigt werden.
Stille Melancholie: Ursula Schulz-Dornburgs Fotoserie “Opytnoe Pole” entstand 2012 in Kasachstan auf einem ehemaligen Atomwaffen-Testgelände der Sowjets. Foto: bikö
Gegenüber, im Saal des Kunstvereins, zeigt die scheidende Direktorin Kathrin Bentele (die in ihre Schweizer Heimat zurückgeht) den zweiten Teil einer Schau über den chinesischen Fotografen und Filmemacher Wang Bing, der in Fabriken und ärmlichen Behausungen die Vergessenen des chinesischen Wirtschaftswunders aufspürt. Er fühlt sich der Wahrheit verpflichtet – was ihn verbindet mit Ursula Schulz-Dornburg (87), deren serielle Fotografien allerdings eine aus der Zeit gefallene, minimalistische Ästhetik vorweisen.
Becher-Preis
Ihr Stil erinnert an die streng konzipierten Schwarz-Weiß-Serien von Ernst und Hilla Becher. Jetzt bekam Ursula Schulz-Dornburg den Preis, den die Stadt alle zwei Jahre im Namen der legendären Meister der Düsseldorfer Fotoschule vergibt. Das Preisgeld von 15.000 Euro hat die Geehrte gleich souverän zurückgespendet – für fotografische Arbeit mit Flüchtlingen. Sehr gefreut hat sie sich allerdings über die Ausstellung in der Kunsthalle: „Ein tolles Museum!“ Der kleine Seitenlichtsaal genügte ihr für die Präsentation ihres fotografischen Denkens.

Die 87-jährige Fotokünstlerin Ursula Schulz-Dornburg (links) wurde mit dem Becher-Preis ausgezeichnet. Es freuen sich Alicia Holthausen von der Kunsthalle und Stephan Marcháč, der Koordinator für Fotografie im Kulturamt. Foto: bikö
In zart-grauem Gelatine-Silberdruck erscheinen dort die Zeugnisse einer Reise durch den Jemen 1986, als sie am Tempel von Almaqah in Sirwah eine in Stein gemeißelte Inschrift entdeckte, die sie fotografierte und übersetzen ließ. Es ist ein Bericht von Waffengewalt und Eroberung, der zeigt, dass die Menschheit immer die gleiche mörderische Wut entwickelt hat: „… Und dann verbrannte er Nqbtm und alle Städte von M’frn … und dreitausend tötete er und achttausend nahm er gefangen …“.
Stille Melancholie
Auch die westliche Machtpolitik brachte Zerstörung – wie zum Beispiel auf Napoleons Feldzug in Ägypten, von dem sechs große illustrierte Bücher von 1826 erzählen („Description de l’Egypte“). Die Fotografin hat die alten Bände erworben und präsentiert sie in Vitrinen, mit einem Zitat von Walter Benjamin: „Es ist niemals ein Dokument der Kultur, ohne zugleich ein solches der Barbarei zu sein.“ Dazu passt Ursula Schulz-Dornburgs letzte Serie „Opytnoe Pole“, die sie 2012 in Kasachstan aufnahm, wo die Sowjets bis 1963 Atombomben testeten. Die Ruinen der extra errichteten Gebäude wirken auf den Fotografien wie Überbleibsel einer unbekannten, geheimnisvollen Zivilisation. Keine scharfe Anklage geht von diesen Bildern aus, sondern eine stille Melancholie.

Das Porträt eines jungen Soldaten (“Hamed”) gehört zur Mini-Ausstellung der Fotografin Farah Al Qasimi (nicht anwesend), die den Becher-Förderpreis bekommen hat. Foto: bikö
Anders, meistens in Farbe, manchmal mit bewegten Bildern arbeitet Schulz-Dornburgs junge Kollegin Farah Al Qasimi (1991 in Abu Dhabi geboren), die den Förderpreis des Becher-Preises bekam. Man sieht da einen Menschen unter nachtschwarzem Himmel auf einer Wüstendüne liegen, bäuchlings, den Kopf abgewandt. Ein rätselhaftes, leicht verstörendes Bild. Das Porträt von „Hamed“, einem jungen orientalischen Soldaten im Camouflage-Anzug, entstand zwei Tage vor seinem Tod, weiß der städtische Foto-Experte Stephan Macháč. Wie ein schräger Kommentar dazu wirkt ein Trickfilm, in dem eine Spiderman-Figur mit Maschinengewehr über den Robben robbt: „Toy War“, Spielzeugkrieg.
Was, wann und wo?
Bis zum 7. September zeigt die Kunsthalle Düsseldorf eine Ausstellung zum Bernd-und-Hilla-Becher-Preis mit Fotografien von Ursula Schulz-Dornburg und Farah Al Qasimi sowie verschiedene Kunstklang-Installationen „Im Kinosaal“ und „Ein Archiv“ zur 20-jährigen Geschichte des „Salon des Amateurs“. Der Kunstverein im ersten Stock präsentiert bis zum 24. August Filme und Fotografien von Wang Bing („The Weight oft he Invisible, Part II“). Geöffnet Di.-So. 11 bis 18 Uhr. Eintritt: 6 Euro. Rahmenprogramm www.kunsthalle-duesseldorf.de