Trauerarbeit: Vera Laros im Beuys-Haus Düsseldorf

Für die Welt geht es immer um Beuys am Drakeplatz in Düsseldorf-Oberkassel. Ein heiliger Ort der Kunstgeschichte. Hier wohnte und arbeitete der große Schamane und Akademie-Rebell ab 1961. Auch als er nach 14 Jahren mit seiner Familie um die Ecke zog, behielt er die Atelierwohnung als Hauptquartier. Für Brunhilde Moll, die das 1908 erbaute Künstlerhaus mit ihrer Stiftung kaufte und makellos sanieren ließ, geht es um ihre Tochter, eine unbekannte Malerin namens Vera Laros, die sich 2018 das Leben nahm. Nach einer Beuys-Schau zur Eröffnung im letzten Herbst wird jetzt am Drakeplatz diese talentierte und todunglückliche Frau gefeiert.

Offene Tür: Das ehemalige Beuys-Haus am Drakeplatz ist jetzt Sitz der Brunhilde Moll Stiftung und eine Kunsthalle. An der Wand: undatiertes Gemälde von Vera Laros. Foto: bikö
Vergessen wir also mal Beuys. Und konzentrieren uns auf Vera, die 1967 geborene Tochter von Brunhilde Moll und Enkelin des Düsseldorfer Autohausgründers Adelbert Moll, der ein kleines Imperium hinterließ. Wie es sich gehört für Kinder einer erfolgreichen Kaufmannsfamilie, studierte Vera Laros Betriebswirtschaft. Mit Diplom. Doch das war nicht ihr Weg. Sie wollte sich frei und anders ausdrücken, den aufwühlenden Gefühlen eine Gestalt geben, die Finsternis in sich erhellen. Mit 36 Jahren, nachdem sie sich ein Atelier in Pempelfort eingerichtet hatte, fing sie an, Kunst zu studieren – an der freien Akademie Rhein/Ruhr.
Kampf und Lust
Und sie malte – auf expressive Weise: den Blick aus dem Fenster, ein paar Blumen, eine Wasserflasche, die Bogenlampe auf dem Dreieckstisch in der Atelierecke. Einige Frauenporträts, die, ob blond, ob braun, sicher Selbstporträts sind, reißen die übergroßen Augen auf und starren die Betrachter an. „Viel Anstrengung. Kampf gegen alles und jeden. Unsicherheiten.“ Bescheinigt Vera Laros sich selbst nach einem Gespräch mit dem Lehrer Veit Stratmann. „Und ich will MALEN“, notiert sie weiter, wild entschlossen. Eins der Selbstporträts streckt keck die Zunge raus.

Kampf gegen innere Dämonen: zwei monumentale Köpfe aus dem Werk von Vera Laros. Foto: bikö
Im zweiten Raum sieht man ihr entfesseltes Werk: zwei monumentale Köpfe, bunt, alptraumhaft verzerrt. Ein Mund mit Monsterzähnen. Ein Auge, das zum alles verschlingenden Fisch wird. Haare wie eine Gebirgskette. Gesichter, Risse, ein paar Blumen. Schwarz geflügelte Fetzen. Auf einem anderen Bild erheben sich vor himmelblauem Hintergrund zwei grünliche Wesen aus einer Zahnreihe.
Tanz der Dämonen
Da bekämpft eine Künstlerin ihre Dämonen. Eine Frau, die sich selbst 2009 in einem Skizzenbuch fragt: „Warum male ich solche Bilder? Eigentlich sehe ich doch ganz normal aus, oder?“ Schön sah sie aus. Dunkle Augen, rot geschminkte Lippen, ein bisweilen strahlendes Lächeln. In ihren Zeichnungen ist auch viel Lebenslust zu erkennen. Ein Video mit flott wechselnden Skizzen macht das deutlich. Die Klangkünstlerin Amelie Neumann alias „burgund t brandt“ hat dafür einen mitreißenden Rhythmus komponiert und lässt Veras Figuren purzeln und tanzen.

Arbeitet im Beuys-Haus: Elza Czarnowski, die künstlerische Leiterin der Brunhilde Moll Stiftung, vor Vera Laros’ Schattenfigur “Langfinger” (2008). Foto: bikö
Beweglich sind sie alle, besonders die große Schattenfigur „Langfinger“ auf einem Schwarz-Weiß-Bild von 2008. Anmutig verbiegt sich die Gestalt, so dass der Kopf bis zum Schoß reicht. Die weiße Auslassung zwischen Bauch und Gesicht ist ein Embryo. Die Arme hängen nach vorne, ähneln Zweigen, die Finger werden zu Trieben oder Wurzeln. Der Bildrand besteht aus verflochtenen Figuren, graue Schemen der Außenwelt. Welcher Schmerz sich hier verbirgt oder welche Hoffnung, das wusste nur die Malerin selbst. „Ich gebe Euch nichts von mir“, schrieb sie. Das Dunkle war übermächtig. Vera Laros starb mit 51 Jahren.

“Warum male ich solche Bilder?” In ihren Skizzenbüchern befragte Vera Laros sich selbst. Foto: bikö
Was, wann und wo?
„Vera Laros“: bis 27. Juli im ehemaligen Wohn- und Atelierhaus von Joseph Beuys am Drakeplatz 4 in Düsseldorf-Oberkassel. Geöffnet Samstag/Sonntag 12 bis 16 Uhr, Dienstag 12 bis 16 Uhr, Donnerstag 14 bis 18 Uhr. Freier Eintritt. Öffentliche Führungen am 26. Juni und 24. Juli, jeweils 18 Uhr. Ein aufwändiger Bildband zu Leben und Werk von Vera Laros, „That’s me“, mit einem Text von Gerhard Finckh ist im Kettler Verlag erschienen und im Buchhandel erhältlich. 184 Seiten, 38 Euro. www.brunhildemollstiftung.de