DGB Düsseldorf zwischen Gedenken und Mahnen: Diskussion zum 80. Jahrestag des Kriegsendes

Gedenken und Erinnern an mehr als 80 Millionen getötete Menschen, an die Shoa und unzählige Verbrechen von Menschen in deutschen Uniformen. Freude über die Befreiung vom Nationalsozialismus. Und Ermahnung, dass die Demokratie nach nur 80 Jahren schon wieder geschützt werden muss – gegen neue Faschisten. Der 8. Mai hat einen übergroßen Themen-Rucksack zu tragen. In einer würdigen und nachdenklichen Art und Weise – gespickt mit vielen Informationen über die 20 Prozent Antidemokraten für Deutschland, AfD – beging der Deutsche Gewerkschaftsbund, DGB, in Düsseldorf den 8. Mai 2025.
Von alten und neuen Nazis
Die Vorsitzende des DGB in Nordrhein-Westfalen, Anja Weber, wies zu Beginn ihres Beitrags auf die Unterschiede in der Erinnerungskultur hin. So sei der 8. Mai in Frankreich ein offizieller Feiertag. In Deutschland widme sich der Stadtstaat Berlin dem Tag des Kriegsendes einen Feiertag. „In der Wahrnehmung vieler Deutscher war der 8. Mai lange Zeit kein Tag der Befreiung, sondern dessen Gegenteil“, sagte Anja Weber. Erst mit der Rede des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 habe hierzuland ein Umdenken begonnen. Und selbst nach 40 Jahren sei Weizsäcker im konservativ bürgerlichen Lager auf viel Widerspruch gestoßen „bei alten und neuen Nazis“.

Anja Weber und Fabian Virchow warnten davor, die AfD zu verharmlosen und an der Brandmauer zu rütteln.
In der Gegenwart versuche die AfD den Rechtsextremismus zu verharmlosen. Anja Weber erinnerte daran, dass der thüringische AfD-Mann Björn Höcke mit Parolen der NS-Schlägertruppen wie „Alles für Deutschland“ auftrete und vom Holocaust-Mahnmal in Berlin als einem „Denkmal der Schande“ spreche. Der AfD-Ehrenvorsitzende Gauland habe die Zeit des Nationalsozialismus als einen „Vogelschiss in tausendjähriger deutscher Geschichte“ bezeichnet. Und die Parteivorsitzende Alice Weidel schwadroniere von „Remigration“ und spreche abfällig von „Messermännern“ und „Kopftuchmädchen“. Wer wie der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz und der n neue CDU-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn an der Brandmauer zur AfD rüttele, spiele mit dem Feuer.
Lob für Düsseldorfer Anti-AfD-Linie im Kommunalwahlkampf
Weber lobte die Linie der Oberbürgermeisterkandidat*Innen in Düsseldorf, im bevorstehenden Kommunalwahlkampf nicht gemeinsam mit der AfD auf Podien zu gehen. Das werde der DGB vor den Kommunalwahl überall in NRW einfordern.

Berichtete unter anderem aus dem Alltag von Betriebsrätinnen und Betriebsräten, die sich mit menschenverachtenden und rechtstremen Optionen auseinandersetzen müssten.
Mit Blick auf die AfD-Wähler*Innen sagte Anja Weber, nicht alle gehörten in die extrem rechte Ecke. Sie forderte Gewerkschaften und Parteien zu Diskussionen mit den Wählenden auf, um sie ins demokratische Lager zurück zu holen. In der anschließenden Diskussion hieß es, niemand dürfe im privaten oder betrieblichen Umfeld schweigen, sobald ausländerfeindliche und herabwürdigende Kommentare geäußert würden.
Aufarbeitung des Faschismus ausgeblendet
Fabian Virchow von der Hochschule Düsseldorf blickte aus der Perspektive des Rechtsextremismus-Forschers auf den 8. Mai 1945 – aber auch die Stärke der AfD heute. Unmittelbar nach dem 8. Mai 1945 hätten der Kampf ums Überleben, später um den Wiederaufbau eine Aufarbeitung von Faschismus und Nationalsozialismus verhindert. Ein Anteil von mehr als 20 Prozent der Deutschen habe insgeheim an den alten, menschenverachtenden Ansichten festgehalten.

Fabian Virchow zeigte auf, wie Alt-Nazis und neue Rechte in den zurückliegenden Jahren immer wieder versucht haben, die Demokratie in Deutschland zu beschädigen.
Der Wissenschaftler widmete sich in seinem Vortrag den rechtsextremen Strömungen und Seilschaften von der Vergangenheit bis hinein in die Gegenwart. Während in den vergangenen Jahrzehnten die alten und neuen Faschisten in Lager zersplittert und unter unterschiedlichen Namen an Einfluss zu gewinnen versuchten, gebe es mit der AfD heute eine einheitliche Organisation, die all diese Strömungen aufnehme. Virchow bescheinigte den aktuellen Rechtsextremen, dass sie aus den eigenen Fehlern der Vergangenheit offenbar gelernt hätten. Mittlerweile greife man im Bund und in zahlreichen Bundesländern die aus den staatlichen Steuereinnahmen gespeiste Parteienförderung ab – „etwas, das sich mit Einstufung als gesichert rechtsextreme Partei ändern könnte“. Außerdem müsse man nüchtern feststellen, dass die AfD mittlerweile gut ausgebildeten, jungen Menschen aus dem akademischen Milieu Karrierechancen anzubieten habe.
Deutsch-deutsche Chance verpasst
In den Jahren unmittelbar nach der Vereinigung von West- und Ostdeutschland habe es die Politik versäumt, ein gemeinsames Werte-Fundament für Deutschland zu schaffen. Die AfD habe dies ausgenutzt, um ihre Position in den ostdeutschen Bundesländern auszubauen. Bereits bei den Landtagswahlen 2026 in Sachsen-Anhalt bestehe die Gefahr, dass die AfD in einem deutschen Bundesland in Regierungsverantwortung komme.
In der anschließenden Diskussion ermahnten die Gäste, nicht länger aus Bequemlichkeit und Konfliktvermeidung zu schweigen, wenn im privaten Umfeld rechtsextremes, menschenverachtende Gedanken geäußert würden. Neben den Parteien und weiteren Organisationen müssten sich auch die Gewerkschaften intensiv darum bemühen, das Vertrauen in die Demokratie zu stärken.